Kein Zweifel: Unser Wahlergebnis bei der Landtagswahl war eine herbe Enttäuschung und ein Rückschlag. Mit 5,3 % der Zweitstimmen haben wir unser Wahlziel deutlich verfehlt. Wir haben es nicht geschafft, im Zweikampf Malu Dreyer/Julia Klöckner und in der hoch emotionalisierten Debatte um die zu uns geflüchteten Menschen gegen den Rechtspopulismus der AfD eine wahrnehmbare Rolle zu spielen und unsere GRÜNEN Inhalte den Rheinland-PfälzerInnen zu vermitteln. Mit der neuen politischen Konstellation im Landtag als kleinste Fraktion bzw. Regierungspartei wird dies in Zukunft sicher nicht leichter. Umso wichtiger wird es sein, aus Fehlern zu lernen, wieder offene und mutige Debatten zu führen und dann, wenn es darauf ankommt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Denn eines hat das Wahlergebnis deutlich gezeigt: Wir werden nicht gewählt, weil wir bessere oder schlechtere GRÜNE sind, sondern wir werden dafür gewählt (oder eben nicht), wenn wir gute und glaubwürdige Antworten auf die Fragen und Sorgen der Menschen in Rheinland-Pfalz haben. Wir werden gewählt, wenn die Menschen das Vertrauen haben, dass wir mit der Verantwortung, die sie uns schenken, verlässlich umgehen.
Die Erfahrungen in unserer Partei der letzten fünf Jahre in Regierungsverantwortung machen deutlich, dass es neue Wege der innerparteilichen Diskussionskultur und Debatte braucht. Diese muss unserem GRÜNEN Anspruch, aber noch mehr den Erwartungen der Menschen gerecht werden. Die Beschäftigung mit uns selbst ist für die Menschen im Land bestenfalls uninteressant und nicht selten abschreckend. Wir müssen unseren Fokus der innerparteilichen Diskussion wieder auf das verschieben, was die BürgerInnen dieses Landes in ihrem alltäglichen Leben bewegt. Und das ist die Frage, wie wir in Zukunft die Gesellschaft von und für Rheinland-Pfalz gestalten wollen.
Es stellt sich die Frage, wie eine moderne GRÜNE Partei in den nächsten Jahren erfolgreich sein kann und wie wir unsere GRÜNEN Inhalte wieder stärker in den Fokusrücken können. Wir brauchen dafür Konzepte für unser Land, die wir für die BürgerInnen entwickeln. So können wir wieder als konstruktive und gestaltende Kraft für das Land und die Menschen wahrgenommen werden.
Das bedeutet, dass wir auch weiterhin hart in der Sache um die besten Ideen ringen. Gerade die offene Diskussion um Inhalte und das Ringen mit Argumenten- oft stellvertretend für die Gesellschaft – sind etwas, was uns GRÜNE unverwechselbar macht in der Parteienlandschaft. Allerdings verschwenden wir zu viel Kraft auf Selbstbeschäftigung und Geschäftsordnungsdebatten, statt über inhaltliche Ideen, Visionen und Konzepte zu streiten. Wenn wir im Land wieder stärker gehört werden wollen, müssen wir zunächst unsere Debattenkultur verändern. Lasst uns hart um die besten Lösungen ringen. Lasst uns dies aber konstruktiv miteinander tun und lasst uns dann auch gemeinsam genauso energisch für die Umsetzung unserer Ziele kämpfen.
Für eine kritische, konstruktive und positive Debattenkultur
Jede Struktur lebt davon, dass Menschen in ihr gut zusammenarbeiten. Man kann die besten Strukturen haben, aber diese werden nicht funktionieren, solange es keinen Grundkonsens über die Art und Weise der Zusammenarbeit und die Ziele gibt. Die Ziele einer Partei formulieren wir in Beschlüssen und diese werden in unserer Partei breit diskutiert. Das gehört zum Grundkonsens unserer Partei und daran darf sich auch nichts ändern.
Es muss aber auch Grundkonsens in unserer Partei sein, dass wir unsere Ziele sachlich, fachlich und im Ton und Umgang miteinander wertschätzend diskutieren. Die „Diskussionskultur“ in unserem Landesverband halten viele Mitglieder und Interessierte zurecht für nicht immer wirklich zielführend und sachorientiert. Dabei haben wir in den letzten Jahren inhaltlich einiges richtig gemacht und auch viel Lob erhalten.
Das bedeutet nicht, dass Kritik natürlich auch angebracht und berechtigt war und ist. Wir brauchen eine kritische Basis, die die Führung der Partei, die Fraktion und unsere Regierungsmitglieder immer wieder kontrolliert und konstruktiv kritisch hinterfragt. Es ist wichtig, dass wir auch in Zukunft kritisch mit der uns übertragenen (Gestaltungs-)Macht umgehen.
Leider haben wir uns in der Wahrnehmung der BürgerInnen allzu oft im Klein-Klein innerparteilicher Diskussionen verloren. Mit Selbstbeschäftigung und innerparteilicher Nabelschau verschrecken wir sowohl WählerInnen als auch neue Mitglieder, schwächen unsere Position in der gesellschaftlichen Debatte, schaden unseren eigenen Leuten und blockieren uns letztlich nur selbst. Wir nehmen uns selbst den Raum und die Kraft für wichtige basisdemokratische Diskussionen um GRÜNE Inhalte und Ziele. Und nicht zuletzt fehlt uns dann diese Kraft auf den letzten Metern, um unsere GRÜNEN Vorstellungen von einer sozial-ökologischen Politik für Rheinland-Pfalz in die öffentliche Debatte zu bringen.
Wir brauchen stattdessen eine positive und konstruktive Kritikkultur, die das gemeinsame Ziel hat, unsere Partei qualitativ nach vorne zu bringen. Basisdemokratie heißt, dass ausreichend Raum und auch (neue) Orte geschaffen werden, um sachorientiert und breit zu diskutieren. Das heißt, dass eine Entscheidung transparent und demokratisch getroffen, aber genauso, dass diese dann gemeinsam getragen und verantwortet werden muss.
Wir brauchen eine positive Debattenkultur, die unsere GRÜNEN Inhalte und die Partizipation aller Mitglieder in den Mittelpunkt stellt. Hierzu sind zunächst keine Satzungsänderungen und neue Strukturen nötig, sondern die Bereitschaft und der Mut, offen und kritisch miteinander zu sprechen. Nicht um der Kritik willen, sondern mit dem gemeinsamen Ziel, Grüne Politik im Land Realität werden zu lassen. Dies bedeutet, dass jedes Mitglied ihr oder sein Anliegen auch konstruktiv in den Prozess einbringen können.
Leider fehlt oft die Zeit, die entsprechenden Sitzungen zu besuchen oder die Infomails zu lesen. Wir müssen daher die Zeit unserer Mitglieder besser nutzen, anstatt z.B. auf LDVen am Ende mit den Füßen abstimmen zu lassen. Basisdemokratie heißt nämlich auch, möglichst viele einzubinden – eben auch diejenigen, die weniger Zeit und Lust auf ellenlange Gremiensitzungen oder das Durcharbeiten einer Mailflut haben.
Gerade die vielen KommunalpolitikerInnen, die fachlich ausgezeichnete Arbeit in den kommunalen Räten machen, verlieren zu häufig die Motivation, sich an solchen Debatten auf Landesebene zu beteiligen. Diese Kompetenzen dürfen wir nicht verspielen! Deshalb brauchen wir eine breitangelegte Beteiligungskultur, die alle Mitglieder im Blick hat. Unter knappen Finanzen bedeutet dies Beteiligungsstrukturen, die die Breite der Mitgliedschaft auch erreichen.
Nur ein positiver Umgang miteinander bringt unsere Partei weiter. Wir brauchen weiterhin flache Hierarchien und den direkten Kontakt zwischen Mitgliedschaft und Führungsebene. Wir brauchen aber auch das gegenseitige Vertrauen und das Verständnis von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Wir brauchen eine neue konstruktive Diskussionskultur, als Selbstverständlichkeit auf jeder Veranstaltung, bei jedem Gespräch und in jeder Mail. Wir brauchen eine lebendige und attraktive Partei, die offen ist für neue Mitglieder und nicht übereinander herzieht. Wir brauchen die Fähigkeit in der Mitgliedschaft und die Möglichkeit in den Strukturen, Kritik konstruktiv in den politischen Prozess einzuspeisen. Wir brauchen die Offenheit, hart in der Sache, aber fair untereinander zu diskutieren. Und wir brauchen das Vertrauen in unsere gewählten GRÜNEN, damit diese unsere GRÜNEN Inhalte umsetzen können. Erst, wenn wir uns darüber einig sind, dass wir alle zusammen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN RLP sind, dass es um GRÜNE Inhalte und um starke GRÜNE geht, dann erst kann es gelingen, unsere basisdemokratischen Strukturen mit Leben zu füllen, unsere guten Ideen in die Öffentlichkeit zu tragen und von den BürgerInnen wieder als konstruktive GRÜNE Kraft für Rheinland-Pfalz wahrgenommen zu werden.
Basisbeteiligung breiter denken
Wir müssen dazu unsere Diskussionen breiter aufstellen. Denn dass Interessensgruppen und lokale Verbände sich für ihre Interessen und Kandidaten in einer Partei einsetzen, ist ein wichtiger Grundsatz demokratischer Entscheidungsfindung. Dabei ist es auch nötig, dass sich Interessensgruppen wie beispielsweise in einem Kreisverband, einem politischen Flügel oder unter AntragstellerInnen im Vorfeld absprechen. Dies dient dem Diskurs, dem Interessensausgleich und ist absolut notwendig in einer lebendigen Partei mit über 3000 Mitgliedern, um eine breite Partizipation der Basis herzustellen. Es muss dabei aber immer um einen fairen Wettbewerb unter GRÜNEN gehen, diesem Ziel sind wir leider nicht immer gerecht geworden.
Wir brauchen weitere niedrigschwellige Vernetzungsangebote auf lokaler Ebene, die demokratisch legitimiert und offen für alle Mitglieder der Region sind. Es bedarf daher einer Regelung der regionalen Ebene in unserer Landessatzung, um die bestehenden Regionalkonferenzen zu sichern und zu legitimieren mit dem Ziel, den Diskurs und den Austausch in unserer Partei zu fördern. Auf regionaler Ebene soll hier eine stetige Vernetzung zwischen Kreisverbänden, Kommunalis und der Landesebene geschaffen werden.
GRÜNE Projekte entwickeln und umsetzen
Wir sollten unsere Kraft wieder darauf verwenden, eigene GRÜNE Projekte zu diskutieren und umzusetzen. Eine solche projektorientierte Arbeit bringt den Vorteil, dass diese transparent, zeitlich begrenzt und evaluierbar ist. Hierüber können nicht nur zielorientiert politische Inhalte umgesetzt, sondern auch eine neue Form basisdemokratischer Beteiligung geboten werden. Es können neue Ideen entwickelt und die Innovationskraft in unserer Partei genutzt werden. Projektarbeit bietet die Möglichkeit, die Arbeit der Abgeordneten inhaltlich mit der Basis ganz konkret am Thema orientiert zu vernetzen und für die Mitglieder greifbarer zu machen. In offenen Verfahren unter Leitung des Landesvorstands (z.B. auf Kongressen) können diese Projekte identifiziert und über eine LDV beschlossen werden. In einem begrenzten Zeitraum können sich offene Arbeitsgruppen mit dem Projekt beschäftigen. Dies bringt zum anderen den Vorteil, dass Interessensgruppe und Initiativen von außerhalb frühzeitig in die Diskussion eingebunden und als Unterstützer und Multiplikatoren gewonnen werden können. Auf LDVen sollen die Ergebnisse dann beraten und beschlossen werden. Das Projekt wird dann von der politischen Ebene umgesetzt und zum Abschluss auf einer LDV nochmals beraten. So kann auch konkret und konstruktiv über die Arbeit von LaVo und Fraktion an GRÜNEN Projekten beraten werden.
Professionalisierung
Wir wollen die Landesebene besser mit der Parteibasis und den Kommunalis verzahnen, um so den landespolitischen Prozess näher an die Partei und die befassten Parteigremien zu tragen, aber auch den Input aus der kommunalen Ebene in die landespolitischen Entscheidungsprozesse zu stärken. Unabhängig von der künftigen Zusammensetzung des LaVo sollten wir daher über eine von der LDV gewählte politische Geschäftsführung im Landesvorstand diskutieren, die eine feste politische AnsprechpartnerIn für die Mitglieder, die Kreis- und Ortsverbände und die LAGen ist, um den Austausch untereinander, auch zwischen den Parteitagen, zu stärken. Eine solche politische Geschäftsführung hätte die Legitimation der LDV und könnte so als Bindeglied zwischen den Mitgliedern, der organisatorischen Ebene und den politisch Verantwortlichen in Vorstand, Fraktion und Regierung fungieren. Sie wäre eine Ansprechperson für die Mitglieder, um ihre Anliegen in den politischen Prozess einzuspeisen. Der GRÜNE Bundesverband und andere Landesverbände haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht.
Alle für GRÜN!
Mit den finanziellen Einbußen auf Grund des Rückgangs der Parteienfinanzierung und der Anzahl der Landtagsabgeordneten müssen wir uns der Frage stellen, wie wir den politischen Prozess in unserer Partei auf hohem Niveau erhalten können. Es gilt zum einen, GRÜNE Organisationen wie die Grüne Jugend, die GARRP und auch die HBS besser mit der Partei zu vernetzen. Diesen Organisationen muss es gemeinsam ein Anliegen sein, dass GRÜNE möglichst stark sind und GRÜNE Inhalte möglichst breit in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Durch Kooperationen kann die Reichweite der einzelnen Organisationen deutlich erhöht werden. Eine Aufgabe des zukünftigen Landesvorstands muss es daher sein, eine gemeinsame Strategie mit diesen grün-nahen Organisationen zu besprechen und zu koordinieren. Auch personelles Engagement des Landesvorstands in diesen Organisationen ist absolut notwendig. Insbesondere die Stärkung der GARRP und der Aufbau einer schlagkräftigen GRÜNEN kommunalpolitischen Vereinigung sollte dabei, auch mit Blick auf die so wichtige Kommunalwahl 2019, im Fokus stehen.
Darüber hinaus müssen uns inhaltlich nahestehende Verbände, wie z.B. die Naturschutzverbände, Sozialverbände, Gewerkschaften näher an die inhaltlich programmatische Arbeit in unserer Partei angebunden werden. Dies geht über den Austausch hinaus, sondern muss im konkreten Arbeitsprozess geschehen. Außerdem sollen öfter externe Experten den Diskussionsprozess zu verschiedenen Themen in unserer Partei bereichern und neu anstoßen.
Nur wir gemeinsam sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN RLP; von der Ministerin bis zum frischen Grüne Jugend Mitglied, vom Landtagsabgeordneten bis zum Gemeinderat, vom Landesvorstand bis zum Mitglied im Ortsverband; Und wir kämpfen alle gemeinsam für mehr GRÜN in Rheinland-Pfalz. Daran müssen wir uns erinnern, bei allen Differenzen im Detail! Nur gemeinsam können wir unsere Partei zur Zukunftspartei machen. Damit auch die BürgerInnen wieder erkennen: Die GRÜNEN kämpfen für eine soziale, ökologische, nachhaltige und vielfältige Zukunft von Rheinland-Pfalz. GRÜN ist die Zukunft. Deshalb: Alle für GRÜN!
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