Versäumnisse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Landtag Rheinland-Pfalz – 17. Wahlperiode – 4. Sitzung, 22.06.2016

Präsident Hendrik Hering:
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Köbler
das Wort.
Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!
In der Debatte, über die wir heute sprechen, geht es vor
allem um eines, es geht um Menschen. Es geht sehr konkret
um Menschen. Es geht um die vielen Menschen, die
aus ihren Herkunftsländern zu uns geflohen sind. Es geht
aber auch um viele Ehrenamtliche, die diese Menschen bei
uns aufnehmen und unterstützen. Es geht vor allem auch
um die Menschen vor Ort in den Kommunen, die sich darum
kümmern müssen, dass alles seine geordneten Wege
geht und diejenigen Menschen, die bei uns bleiben können,
bestmöglich integriert werden, aber dass auch diejenigen,
die nicht bei uns bleiben können, möglichst sicher wieder
in ihre Herkunftsländer zurückkommen können. Das ist
mir bei der bisherigen Debatte doch ein bisschen zu kurz
gekommen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der FDP und vereinzelt bei der SPD)
Angesichts der schon geschilderten Situation und der kompletten
Überforderung einer Bundesbehörde bin ich außerordentlich
dankbar, dass, wie der Rhein-Zeitung zu
entnehmen war, das Integrationsministerium dieser Tage
einen Brandbrief nach Berlin geschickt hat, um auf
die Unterversorgung und die schlechte Situation bei den
rheinland-pfälzischen BAMF-Außenstellen hinzuweisen, in
dem es heißt, dass in Rheinland-Pfalz weiterhin 66 Stellen
beim BAMF fehlen und bisher nur die Hälfte des zugesagten
Personals gekommen ist.
Meine Damen und Herren, ich kam mir bei der Vorbereitung
dieser Debatte ein bisschen wie bei „Und täglich grüßt
das Murmeltier“ vor. Seit der letzten Sommerpause füllen
die Plenarprotokolle zu diesem Missstand beim BAMF 45
Seiten: Oktober 2015, zweimal November 2015, zweimal
Januar 2015 und Februar 2016, wo wir allein in diesem
Hohen Hause über die Missstände beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge gesprochen haben.
Warum sprechen wir darüber? Weil die Zahl der unbearbeiteten
Anträge exorbitant zunimmt: 2009 23.000, 2012
50.000, 2013 100.000, 2014 170.000 – damals haben
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz übrigens auf
dem Parteitag gefordert, dass das BAMF besser ausgestattet
werden muss –, dann 2015 800.000 und 2016 laut
Herrn Weise 830.000 unbearbeitete Anträge auf Asyl in
Deutschland.
(Abg. Michael Frisch, AfD: Wenn es nach
Ihnen ginge, wären es noch viel mehr!)
Was ist seither passiert? Eigentlich nichts. Thomas de
Maizière, der Herr Bundesinnenminister, ist immer noch
im Amt und trägt schon seit über einem halben Jahr den
Beinamen Thomas die Misere.
(Abg. Dorothea Schäfer, CDU: Welche
Misere denn?)
Das ist die eigentliche Misere, dass die Bundesregierung
hier nicht konsequent handelt, sondern auf ganzer Linie
versagt hat.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
SPD und FDP)
Dann kam Herr Weiß: Er kam, sah und entschied sich bei
dem, was er vorgefunden hat, besser wieder schnell zu
gehen.
(Abg. Julia Klöckner, CDU: Er heißt Weise!)
Herr Weise hat zugesagt, dass die Anträge binnen Jahresfrist
abgearbeitet werden sollen. Die Antwort, wie er
das tun will, ist er allerdings schuldig geblieben. Wer sich
die neuesten Mitteilungen des Bayerischen Rundfunks
– sicher kein linkes Staatsorgan – durchliest, dem wird ein
Stück weit angst und bange.
Herr Lammert, ich weiß nicht, ob Sie schon einmal mit einem
Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
gesprochen haben.
(Zuruf des Abg. Matthias Lammert, CDU)
Die Fälle, die man nachliest, sind keine Einzelfälle. Dass
Menschen ohne Schulung eingestellt werden, weil sie es
nicht gelernt haben, und teilweise nach drei Wochen wieder
gehen müssen, Personalstellen unbesetzt bleiben oder
prekär und befristet besetzt werden, all das hat zu einer
gerichtlichen Auseinandersetzung in dieser Situation zwischen
dem Personalrat und der Geschäftsführung des
BAMF geführt, in der sich der Personalrat durchgesetzt
und erwirkt hat, dass nicht rechtswidrig und nach Gutdünken
mit dem Personal umgegangen werden soll.
Das bedeutet, es ist viel gemahnt und geredet worden. Es
ist seitens des Bundesinnenministers und der Bundesregierung
viel versprochen worden. Passiert ist überhaupt
nichts. Die Situation hat sich, obwohl die Zuzugszahlen im
Moment tendenziell stark zurückgehen, überhaupt nicht
und gar nicht verbessert. Aus dem Bundesinnenministerium
ist ein Bundeschaosministerium geworden.
(Zuruf der Abg. Dorothea Schäfer, CDU)
Davon kann man nicht mit Scheindebatten à la sichere Herkunftsstaaten
und angeblich ausbleibende Abschiebungen
in Rheinland-Pfalz ablenken, wie es die CDU-Opposition
zu tun versucht. Wir machen in Rheinland-Pfalz unsere
Hausaufgaben bei der Flüchtlingsaufnahme.
(Heiterkeit bei der AfD –
Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)
Es wäre im Sinne der Flüchtlinge, der Ehrenamtlichen und
der Kommunen, wenn die Bundesregierung ihre Hausaufgaben
auch endlich anpacken würde.
Herzlichen Dank.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der FDP und bei der SPD)

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