Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 3. Sitzung, 26. Mai 2011
Vizepräsident Schnabel:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Kollege
Köbler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Tatsache, heute hier stehen und reden zu dürfen, erfüllt mich zugegebenermaßen mit einem gewissen Stolz. Deswegen möchte ich mit einigen Worten des Dankes beginnen.
Zunächst möchte ich mich bei den Wählerinnen und Wählern bedanken, dass sie uns die Möglichkeit gegeben haben, die Verantwortung für dieses wunderbare Bundesland zu übernehmen. Ich möchte mich für meine Partei bedanken, die in den letzten fünf Jahren harte Arbeit geleistet hat, und bei meiner Fraktion, dass sie mir heute die Möglichkeit gibt, als Erster nach diesen fünf Jahren wieder reden zu dürfen.
Ich möchte mich aber auch ausdrücklich bei dem Koalitionspartner mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze bedanken. Ich gebe zu, dass wir uns nicht ganz so sicher waren, als wir nach der Wahl in die Verhandlungen eingestiegen sind. Wir haben aber einen fairen Umgang, Offenheit und absolute Augenhöhe erlebt. Ich glaube, das ist eine gute Grundlage nicht nur dafür, in den nächsten fünf Jahren neue Wege der Politik zu gehen, sondern in Rheinland-Pfalz eine neue Dekade des sozialökologischen Wandels aufzustoßen, die wir über diese Legislaturperiode hinaus gestalten wollen. Ich lade die CDU-Opposition explizit zur konstruktiven Mitarbeit ein.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Der 27. März und der 18. Mai dieses Jahres werden in die rheinland-pfälzische Geschichte eingehen, weil erstmals die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes meiner Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Auftrag gegeben haben, zu regieren und Verantwortung für die Gestaltung der zukünftigen Politik unseres Bundeslandes zu übernehmen.
Persönlich werde ich den 27. März 2011 nie vergessen, weil selbst unsere kühnsten Vorstellungen übertroffen worden sind. Wir sind angetreten, um etwas in diesem Land zu bewegen. Die Menschen haben deutlich gemacht, dass sie einen Aufbruch, ja eine neue Politik für die Zukunft von Rheinland-Pfalz wollen. Über 288.000 Menschen haben uns GRÜNEN den Auftrag gegeben, dieses Land in die Zukunft zu führen, den sozial-ökologischen Aufbruch zu gestalten und nach über 30 Jahren außerparlamentarischer und parlamentarischer Opposition grüne Politik gemeinsam mit den Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz umzusetzen. Die Bürgerinnen und Bürger haben an diesem Tag ein neues Kapitel der politischen Geschichte auch über Rheinland-Pfalz hinaus aufgeschlagen. Dass am gleichen Tag in unserem Nachbarland erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Vertreter meiner Partei den Auftrag der Regierungsbildung bekommen hat, ist eine historische Zäsur für das deutsche Parteiensystem, aber auch für die Politik insgesamt. Dies wird nachhaltig auch auf unsere Gesellschaft wirken. Da bin ich mir sicher. Die Wahlen in Bremen haben dies gerade eindrucksvoll bestätigt.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir sind uns bewusst, dass dies mit Sicherheit etwas mit den schrecklichen Ereignissen in Fukushima und damit zu tun hat, dass die Bundesregierung konsequent den Willen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung ignoriert und die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke beschlossen hat. Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Menschen in diesem Land grundsätzlich eine andere und neue Politik wollen, nämlich eine Politik, die wieder von Werten geleitet ist,
(Frau Klöckner, CDU: Das stimmt!)
die für die Zukunft Visionen formuliert und realistische Wege der Umsetzung sucht und dabei mehr Offenheit und Transparenz, mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, mehr Verbindlichkeit, mehr Mut, Mut zur Diskussion und zur Veränderung, mehr Nachhaltigkeit und vor allem mehr Ehrlichkeit in der Politik und der gesellschaftlichen Debatte an den Tag legt.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir haben in der außerparlamentarischen Opposition aus der Not eine Tugend gemacht. Wir sind auf die Menschen zugegangen. Wir haben ihnen viel zugehört. Wir haben versucht, uns direkt um die Leute in unserem Land zu kümmern. Wir stehen für einen offenen politischen Diskurs, wollen die Menschen ernst nehmen und mitnehmen, und wir wollen sie nicht bevormunden. Wir sind in den letzten fünf Jahren dem Streit nicht aus dem Weg gegangen, aber immer mit Respekt vor der anderen Meinung und dem Willen zur Einigung und zu Konsens im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Meine Fraktion und ich möchten Ihnen anbieten, diesen Stil auch weiterhin und jetzt im rheinlandpfälzischen Landtag alle gemeinsam zu pflegen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir übernehmen nun also erstmals Verantwortung für Rheinland-Pfalz. Partei und Fraktion sind mehr als bereit, den sozial-ökologischen Aufbruch in Rheinland-Pfalz zu wagen und gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, unseren Freundinnen und Freunden von der SPD, den Wandel in unserem Land in den kommenden fünf Jahren zu gestalten.
(Licht, CDU: Das ging aber schnell!)
Wir arbeiten dafür auch darüber hinaus.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir arbeiten auf der Basis eines hervorragenden Koalitionsvertrages, der diese neue Politik formuliert, geprägt vom Mut für Veränderung einerseits, aber auch Verantwortung für das bereits Geschaffene andererseits. Dabei stehen sowohl der Mensch und seine Umwelt als auch die Verantwortung für kommende Generationen im Mittelpunkt unseres Handelns. Das ist das gemeinsame Grundverständnis von Sozialdemokratie und GRÜNEN in diesem Land. Diese Regierung verschreibt sich einer politischen Kultur der Offenheit, der Menschlichkeit und des Dialogs miteinander. Deshalb ist es uns besonders wichtig, dass wir den sozial-ökologischen Wandel gemeinsam mit den Menschen in diesem Land gestalten wollen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die gesellschaftlichen Herausforderungen sind riesig. Herr Kollege Hering hat sie benannt:
– Die Energiewende, die uns jetzt in den nächsten Tagen und Wochen mit dem Atomausstieg begleiten wird, und das unter der Voraussetzung, dass wir dem Klimawandel begegnen müssen.
– Der demografische Wandel gerade in ländlichen Strukturen wie in Rheinland-Pfalz. Wir werden immer weniger, werden immer älter, und wir werden auch immer bunter in unserem Land.
(Zuruf des Abg. Ernst, CDU)
– Die soziale Frage, die Schere zwischen Arm und Reich, geht immer weiter auseinander.
– Die Zukunft der Bildung. Wir wollen auf der einen Seite eine bessere Bildung entwickeln, auf der anderen Seite wollen wir Ängste nicht schüren und behutsam mit allen Beteiligten die Wege beschreiten
– Eine Modernisierung unserer Demokratie, die, ohne den Parlamentarismus infrage zu stellen, die Menschen mehr mitnimmt und mehr beteiligt und auf die entsprechenden Beschlüsse und Konsequenzen nicht zuletzt aus der Diskussion um Stuttgart 21 zieht.
– Das alles geschieht unter der schwierigen Voraussetzung geplünderter öffentlicher Haushalte auf allen Ebenen und viel zu geringen Steuereinnahmen für all das, was der Staat leisten will und was die Bürgerinnen und Bürger vom Staat erwarten dürfen.
(Zurufe von der CDU)
Hierbei ist entscheidend, dass man einen klaren Kompass hat und klaren Werten folgt, weil der Weg, die Ziele zu erreichen, steil und steinig werden wird. Aber wir sind willens, gemeinsam auf diesem Weg in Rheinland-Pfalz alle mitzunehmen. Dass gesellschaftlich und politisch überhaupt jetzt wieder verstärkt – und das gebe ich zu, durch alle politischen Kreise und Parteien – über den Atomausstieg debattiert wird, ist ein Erfolg einer breiten Bewegung in der Bundesrepublik, die seit über 30 Jahren das Bewusstsein für die Unbeherrschbarkeit dieser Technologie und die Notwendigkeit eines konsequenten Ausstiegs geschärft hat.
Daher lassen wir uns nicht nachsagen, wir hätten Fukushima im Wahlkampf missbraucht. Das haben Grüne, die seit über 30 Jahren gegen diese Hochrisikotechnologie kämpfen, überhaupt nicht notwendig. Wir sind die Letzten, die sich Fukushima sozusagen gewünscht haben. Wir haben immer davor gewarnt. Das, was in Fukushima passiert ist, haben selbst die größten Skeptiker, die größten Kritiker bei den Grünen nicht für möglich gehalten. Dass wir diese Technologie nicht beherrschen können, wussten wir. Aber dass sie derart aus den Fugen gerät, wie wir es in Japan sehen konnten, haben wir uns selbst nicht vorstellen können. Deswegen ist es allerhöchste Zeit, jetzt umzuschalten und auszusteigen. Da bewahrt jetzt auch jeder sein Gesicht. Nach Fukushima verstehen es die Menschen auch. Besser heute als morgen, und vor allem für alle Zeit raus aus dem Atomstrom.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Das ist gar nicht so weit weg. Durch den Bericht der Reaktorsicherheitskommission wissen wir, kein einziges deutsches Atomkraftwerk ist gegen den Flugzeugabsturz einer größeren Maschine ausgelegt. Ich muss hier in der Einflugschneise des Flughafens Frankfurt und dem nuklearen Schatten von Biblis nicht den 11. September für solch ein Horrorszenario bemühen. Nein, die Gefahr gerade hier ist real. Auch deswegen kann es nicht nur eine Rückkehr zum alten Atomkompromiss geben. Das Wachstum der erneuerbaren Energien hat all unsere Erwartungen maßlos übertroffen. Umweltminister Trittin hat bei der Vorlage des EEG bis zum Jahr 2011 12 % erneuerbare Energien im Strombereich angepeilt. 17 % haben wir heute. Das bedeutet, wir können raus, wir können schneller raus, wir können noch schneller raus, als es Rot-Grün damals festgelegt hat. Wir können raus, und das zeigt es gerade. Es sind 13 von 17 Atomkraftwerken abgeschaltet. Ich sehe, sämtliche Kronleuchter leuchten noch, jede einzelne Lampe ist an. Wir brauchen dazu Übergänge, Übergangstechnologien. Das kann nur das Gas sein, hocheffiziente neue Gaskraftwerke. Das werden wir mit aller Ehrlichkeit sagen.
Die werden wir auch in Rheinland-Pfalz brauchen, beispielsweise am Standort Mainz. Wir werden massiv in die erneuerbaren Energien gehen. Wir haben das vielleicht fortschrittlichste Energieprogramm im Koalitionsvertrag formuliert, das diese Republik je gesehen hat. Aber die Voraussetzung dafür, um Investitionen auszulösen – Herr Kollege Hering hat es richtig gesagt –, ist jetzt ein klarer, unumkehrbarer und konsequenter Atomausstieg. Dies bedeutet die sofortige Abschaltung der sieben ältesten Meiler. Das bedeutet eine verbindliche, schrittweise Abschaltung aller übrigen Anlagen. Das ist sogar bis zur nächsten Legislaturperiode des Bundestages möglich. Es bedeutet vor allem die Endgültigkeit der Nutzung der Atomenergie für die Stromproduktion in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sollten auch darüber nachdenken, ob wir in dieser Republik nicht dem Vorbild Italiens und Österreichs folgen und den Atomausstieg in der Verfassung verankern.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)
Es geht uns nicht nur um den bundesweiten Atomausstieg. Wir werden auch die schnellstmögliche Abschaltung der AKWs Cattenom und Fessenheim in allen überregionalen Gremien und auch gegenüber unserem Nachbarland problematisieren und einfordern. Wir hoffen inständig, dass der europaweite AKW-Stresstest ein Umdenken auch bei den Franzosen bewirkt; denn Strahlung – das wissen wir – ist grenzenlos. Wir müssen klar sagen, wir sind es den Menschen in unserem Land, in der Region Trier schuldig, da das dortige AKW noch schlechter ausgestattetet ist, als die deutschen Atomkraftwerke, wo der Störfall der quasi Regelfall ist. Auch Cattenom und Fessenheim sollen abgeschaltet werden. Den Ausstieg aus der menschenverachtenden Atomkraft sind wir unseren Kindern und der Schöpfung absolut schuldig.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, ich habe es bereits angedeutet, in der Energiepolitik beschreibt dieser Koalitionsvertrag das modernste Regierungsprogramm dieser Republik. Wir wollen in dieser Legislatur die Weichen dafür stellen, dass wir in Rheinland-Pfalz die Energiewende vollenden können und bis zum Jahr 2030 bilanziell 100 % unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Das war unser Versprechen im Wahlkampf gewesen. Das lösen wir nun ein und werden dieses Ziel mit aller Kraft angehen. Deswegen ist es gut und richtig, dass es die stellvertretende Ministerpräsidentin ist, die für diese Kernbereiche der Zukunft Energie und Klimaschutz zuständig ist. Sie wird die Grundlagen dafür legen, dass bis zum Jahr 2030 Rheinland-Pfalz nicht nur 100 % seines Strombedarfs erneuerbar deckt, sondern sogar noch zum Stromexportland wird und Tausende neue Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz für Handwerker und für Unternehmen geschaffen werden können und ganz neue Zukunftsperspektiven für die Wirtschaft in unserem Land eröffnet werden.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Diesen Umstieg, diese Energiewende – das sage ich als Mainzer voller Stolz – schaffen wir hier in Rheinland-Pfalz auch ganz ohne neue Kohlekraftwerke, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben uns auch darauf verständigt, die klimaschädlichen Emissionen in diesem Land bis 2050 um 95 % gegenüber 1990 zu reduzieren, um das 2°-Ziel zu erreichen. Wir folgen mit unserem Weg der Energiewende und des Klimaschutzes einer Gesellschaft, die häufig schon viel, viel weiter ist, als es die Politik ist. Die Menschen fragen nicht mehr nach dem „Ob“, sie fragen nur noch nach dem „Wie“. Dabei müssen und werden wir berücksichtigen, dass die Stromversorgung für die Menschen und die Unternehmen in diesem Land sicher, ökologisch und bezahlbar sein wird; denn wir machen uns da nichts vor: Die Energiewende ist keine Kuschelpolitik. Wir spüren dies, wenn wir über neue Gaskraftwerke reden. Das werden wir spüren, wenn wir darüber reden, 2 % der Landesfläche für Windkraft nutzbar zu machen, wenn wir über Repowering sprechen und noch wesentlich größere Anlagen, als wir sie heute kennen, installieren.
Das werden wir bei jedem Energiespeicher, bei jeder Biogasanlage und bei jeder neuen Stromtrasse merken. Es wird daher nicht reichen, nur für dieses Ziel „100 % erneuerbare“ zu werben, sondern wir müssen auch in den Dialog mit den Menschen und den Bürgerinnen und Bürgern treten, um die konkreten Umsetzungsschritte vor Ort intensiv mit den Menschen gemeinsam zu diskutieren, sie zu informieren und zu begleiten und Unternehmen wie Privatleute auf diesem Weg bestmöglichst zu unterstützen. Schon heute haben wir zahlreiche Mittelständler und Handwerker, die im Bereich der Energien tätig sind und ihr Auskommen direkt oder indirekt über erneuerbare Energien erzielen.
Wir müssen den Menschen diese Chancen für zukunftsfähige Arbeit, für nachhaltige umweltschonende Energieversorgung deutlich machen und kommunizieren. Wir können mit breit getragenen, aber dann auch klaren rechtlichen und planerischen Vorgaben Investitionen über alle Branchengrenzen hinweg auslösen und – wie gesagt – noch Tausende Arbeitsplätze in diesem Land schaffen, verlässliche, saubere und ökologische Stromproduktion und Energieversorgung für Rheinland-Pfalz sicherstellen, sodass wir am Ende sagen: Wir sind das Musterland für erneuerbare Energien, Rot-Grün hat sich ganz oben auf die Agenda gesetzt, Rheinland-Pfalz zu d e m Land der erneuerbaren Energien zu machen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Jetzt habe ich über Beteiligungen gesprochen, dann möchte ich dabei bleiben und über Demokratie reden. Es ist vorhin angeführt worden, wir hätten eine Bürgerbeteiligung verhindert, weil wir die Bürger nicht an etwas beteiligen, was es nicht geben wird.
(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)
Wenn ich nach meinen politischen Vorbildern gefragt werde, dann nenne ich meistens Willy Brandt und Heiner Geißler. Ich bewundere sehr, was Heiner Geißler an Beteiligungsmöglichkeiten und an einem Verständnis von neuer Demokratie ausgearbeitet hat. Dazu gehört meines Wissens nicht, über Dinge Beteiligungsverfahren durchzuführen, die es nicht gibt.
(Zurufe von der CDU)
Aber das ist Ihre Interpretation. Wir werden Sie einladen, mehr Demokratie für Rheinland-Pfalz zu wagen und eine entsprechende Enquete-Kommission auf den Weg bringen. Wenn es Ihnen mit der Bürgerbeteiligung ernst ist, dann gehen Sie mit uns gemeinsam diesen Weg. Wenn es um die Verfassung geht, dann heben Sie entsprechend die Hand. Bei dem Tag der Abstimmung werde ich dann Heiner Geißler auf die Tribüne einladen.
(Frau Klöckner, CDU: Das haben wir schon gemacht!)
– Sehr gut.
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das glaube ich nicht, dass Sie das schon gemacht haben! –
Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)
Wir wollen die Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen als rot-grüne Koalition erhöhen. Wir wollen die Senkung von Quorren und der notwendigen Unterschriften für Bürgerbegehren und die Umsetzung von umfangreichen Beteiligungsinstrumenten bei konkreten Projekten der Kommunen oder des Landes vor Ort. Dabei geht es um mehr als um einfaches Ja oder Nein, es geht auch um die Frage des Ob und Wie und – ich möchte hinzufügen – wie das finanziert wird und wenn ich das mache, was ich dann alles nicht machen kann.
(Zuruf des Abg. Dr. Mittrücker, CDU)
Zu den Entscheidungen: Wer beteiligt werden will, der muss auch entscheiden können. Wer mitentscheiden kann, der muss auch bereit sein, Verantwortung mit zu übernehmen. Das gehört zur Beteiligung auch dazu. Dem haben wir uns auch verschrieben.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir möchten bei den jungen Menschen in dieser Gesellschaft beginnen. Wir haben in Bremen erlebt, dass jetzt erstmals die 16- und 17-Jährigen wählen durften. Ich finde, das Ergebnis gibt dem Vorhaben ein Stück weit recht. Wir haben nicht gesehen, dass jetzt insbesondere extremistische Parteien gewählt worden sind.
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)
Wir werden diesen Weg auch in Rheinland-Pfalz gehen wollen, weil das Wahlrecht eine höchstpersönliche Angelegenheit in der Demokratie ist. Wir wollen den jungen Menschen die Demokratie wieder erlebbar machen. Wir wollen die Politik dazu auffordern, sich wieder mehr um die Belange von jungen Menschen zu kümmern. Deswegen sind wir gemeinsam der festen Überzeugung, dass wir heute auch 16- und 17-Jährigen guten Gewissens das Wahlrecht geben können. Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die seit Jahren und Jahrzehnten in diesem Land leben, arbeiten, Steuern zahlen, ihre Kinder auf die Schulen und in die Kindertagesstätten schicken und demnächst wahrscheinlich auch in Pflegeeinrichtungen kommen und, weil sie noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, hier nicht wählen dürfen.
Wir wollen das Wahlrecht ausweiten, weil die Demokratie aus allen Menschen besteht, die dauerhaft in diesem Land leben. Das Wahlrecht ist das elementarste Bürgerrecht in der Demokratie, das wir endlich mehr Menschen zugestehen wollen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Es gehört aber auch das Recht auf Information dazu, wenn man politisch entscheiden und mitreden will. Deswegen wollen wir die Informationsgesetze des Landes zusammenführen und die Zuständigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz erweitern zum Landesbeauftragten für Informationsfreiheit. Wir werden ein öffentliches Register beim Landtag und der Landesregierung für Interessenvertreterinnen und -vertreter einführen, in dem die Tätigkeiten der Lobby transparent und nachvollziehbar für die Bürgerinnen und Bürger gemacht werden. Auch das ist ein Beitrag zu mehr Offenheit und zu einer neuen politischen Kultur in diesem Haus, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Die Bürgerinnen und Bürger sind bereit, mehr mitzureden, sich mehr zu beteiligen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Lassen Sie uns die Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern als Chance begreifen, um ihnen substanziell mehr Möglichkeiten zu geben. Das wird der Politik, das wird unserer Demokratie insgesamt nur guttun. Das wird die Politik in Rheinland-Pfalz auf einen besseren und vertrauensvollen Boden stellen.
(Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)
Wir wollen mehr Demokratie in Rheinland-Pfalz wagen. Das hat sich diese Koalition zu eigen gemacht. Ich bin sicher, Willy Brandt wäre stolz auf dieses Land.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die Kommunen haben dabei in unserem Land eine ganz besondere Bedeutung, weil sie der erste Anlaufpunkt für die Bürgerinnen und Bürger sind, wenn sie Demokratie, wenn sie Staat erfahren und unmittelbar vor Ort merken, wie gestaltet wird, oder wenn sie mitgestalten wollen. Nicht zuletzt der Kommunalbericht des Rechnungshofsaus dem Jahr 2010 hat offenkundig gemacht, wie dramatisch es um die Finanzsituation der rheinlandpfälzischen Kommunen bestellt ist. Als langjähriges Stadtratsmitglied der Landeshauptstadt Mainz weiß ich nur zu gut, wovon ich rede. Dies ist zum einen bedingt durch die immer weiter steigenden Soziallasten und zum anderen durch die fehlende Konnexität bei Bundesgesetzen. Wir haben uns dazu verpflichtet, unsere Verantwortung wahrzunehmen, die Konnexität, die vorgegeben ist, voll zu gewährleisten und den Entschuldungsfonds weiter zu betreiben, um uns relevant an der Reduzierung der Schulden der rheinland-pfälzischen Kommunen zu beteiligen. Frau Klöckner, wir werden aber darüber hinaus noch einen Schritt weiter gehen und Ihre Forderung natürlich umsetzen; denn sie steht auch im Koalitionsvertrag. Wir werden in dieser Legislaturperiode eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs angehen und dabei insbesondere die Belastung der Kommunen mit Soziallasten und die Stadt-Umland-Beziehung in die Diskussion nehmen, um gerade den Oberzentren und Städten eine Finanzausstattung zu garantieren, die ihrem Auftrag als Versorgungszentren des Umlands mit sozialer Infrastruktur, mit Verkehrsinfrastruktur und mit kultureller Infrastruktur Rechnung trägt, damit wir auch morgen in Rheinland-Pfalz noch gute Kindertagesstätten, hervorragende Theater und Museen und eine gute Verkehrsinfrastruktur vor Ort haben. Dies wird diese Koalition in dieser Legislatur mit voller Kraft anpacken.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir werden es den Kommunen auch erleichtern, sich wirtschaftlich zu betätigen. Das ist für die GRÜNEN nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Wir wissen aber, dass heutzutage bei der Frage der dezentralen Energieversorgung nicht jede Stadt sich zu 100 % selbst aus erneuerbaren Energien versorgen kann. So viel Realismus ist vorhanden. Deswegen werden wir gerade in diesem Bereich den Kommunen und den Stadtwerken die Möglichkeit eröffnen, überregional tätig zu werden und sich an Windkraftanlagen in der gesamten Bundesrepublik oder im Offshore-Bereich zu beteiligen. Dies treibt die dezentrale Energiewende mit voran, und es sichert den Kommunen verlässliche Einnahmen, auf die sie dringend angewiesen sind. Da die Gemeindefinanzreform des Bundes ein ums andere Mal zum Rohrkrepierer wird und die Kommunen ausbluten, geben wir ihnen die Möglichkeit, sich nun nachhaltig wirtschaftlich selbst zu betätigen und neue Einnahmequellen sinnvoll zu erschließen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, das bedeutet auch, dass wir die Verantwortung für kommende Generationen übernehmen, damit unsere Kinder und Kindeskinder noch politischen Gestaltungsspielraum haben. Ob es in 20 Jahren wirklich noch politischen Gestaltungsspielraum auf allen politischen Ebenen gibt, entscheiden wir heute, und wir entscheiden es unter anderem in diesem Haus. Nur wenn wir umsteuern und die öffentlichen Haushalte – auch den Landeshaushalt – auf eine gesunde Basis stellen, können wir kommenden Generationen noch die Möglichkeit zur Gestaltung unseres Gemeinwesens geben. Die demokratische Gestaltung des Gemeinwesens ist eine der zentralen Errungenschaften der Menschheit. Wir können und dürfen sie nicht preisgeben, nur weil wir die öffentlichen Haushalte, den Staat, herunterwirtschaften und ruinieren, weil wir nicht sagen, wo wir einsparen und auf der anderen Seite nicht sagen, woher wir Einnahmen generieren wollen. Dort passt etwas in unserem Land grundsätzlich nicht zusammen, und deshalb wünsche ich mir mehr Ehrlichkeit in dieser Debatte. Wir haben mit die geringste Steuerquote in Europa.
(Bracht, CDU: Aber eine hohe Abgabenquote!)
Es liegen hohe Ausgaben vor uns, wenn wir unsere Ziele im Bildungsbereich, im Bereich der erneuerbaren Energien und im investiven Bereich sicherstellen wollen, aber wir leisten uns stattdessen Steuersenkungsdebatten, nur weil ein kleiner Koalitionspartner auf Bundesebene versucht, in der politischen Wirklichkeit dieses Landes noch einmal reanimiert zu werden. Das ist nicht mehr zu verantworten.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –
Frau Klöckner, CDU: Jeder hat sein Klientel!)
Wir müssen in diesem Haus bis 2020 pro Jahr 220 Millionen Euro einsparen. Wir wollen als Koalition eine nachhaltige, soziale und gerechte Finanzpolitik gestalten, die eine faire Lastenverteilung gewährleistet. Schon die letzten Tage und Wochen haben gezeigt, dass dies nicht einfach werden wird. Aber wir werden diesen Weg gehen, und ich habe zu Anfang gesagt, wir werden auch den steinigen Weg gehen. Wir werden Überzeugungsarbeit dort leisten, wo Maßnahmen aus einer individuellen Perspektive heraus nachvollziehbar als einseitig und vielleicht auch als ungerecht erscheinen. Aber es liegt bei uns – und diese Koalition hat sich explizit dieser Ehrlichkeit verpflichtet –, die Ziele der Haushaltskonsolidierung beim Namen zu nennen. Aber entsprechende Vorschläge zur Umsetzung zu unterbreiten sowie messbar und diskutierbar zu machen, das erwarten wir auch von einer verantwortlichen Opposition in diesem Haus. Wir werden die Dinge mit Augenmaß und Vernunft angehen. Wir werden mit den Betroffenen auch immer über die Wege der konkreten Einsparungen reden und diskutieren. Wir wissen, kluges Sparen heißt auch richtiges Verteilen. Deswegen werden und wollen wir in Rheinland-Pfalz trotz aller Sparbemühungen auch noch gestalten und investieren. Wir haben im Koalitionsvertrag die entsprechenden Schwerpunkte definiert. Dies ist zu allererst die Bildung, Von der Kindertagesstätte bis zur Hochschule ist es uns wichtig, dass wir auch weiterhin auf hohem Niveau investieren. Auch die Jugendförderung und die Kultur werden wir stärken, weil wir glauben, dass es für einen sozialen Zusammenhalt in der Zukunft sowie für ein Gemeinwesen eine unabdingbare Voraussetzung ist, dass wir die Jugendarbeit stärken, weil sie präventive Sozialarbeit ist, und wir die Kultur stärken, weil sie elementarer Bestandteil eines Menschen ist, wenn er sich in dieser Gesellschaft verwirklichen will. Dies muss – unabhängig vom Geldbeutel – jeder und jedem in diesem Land weiterhin möglich bleiben.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir brauchen – auch das habe ich angedeutet – endlich mehr Verlässlichkeit vom Bund. Aber wir wollen auch selbst als neue Landesregierung und als regierungstragende Koalitionsfraktion eine entsprechende Verlässlichkeit ausstrahlen. Wir werden dies auch von den Landesbediensteten, von den Beamtinnen und Beamten, einfordern. Wir haben es entsprechend festgeschrieben und früh kommuniziert. Wir wollen aber auch die Kolleginnen und Kollegen mit Familien und Kindern besonders begünstigen.
Aber wir sagen schon heute, dass die Erhöhung des Ruhestandseintrittsalters um zwei Jahre geprüft werden soll. Allerdings wollen wir uns dabei flexiblen Lösungen bewusst nicht verschließen und auch die Belastungen der jeweiligen Berufsgruppen mit in den Fokus nehmen. Wir wissen sehr wohl, dass gerade Polizistinnen und Polizisten, aber auch Lehrerinnen und Lehrer großen Belastungen im Alltag ausgesetzt sind, und das wird in den Regelungen auch entsprechend seinen Niederschlag finden. Wir wissen, dass wir vielen Menschen, auch vielen Beamtinnen und Beamten, einiges zumuten, aber das werden wir mit Augenmaß tun, und wir werden im individuellen Fall mit dem höchsten Maß an Gerechtigkeit vorgehen. Bei einem noch so großen Beitrag, der zu leisten ist, wollen wir auch den kommenden Generationen in diesem Land noch Handlungsspielräume erhalten.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Herr Ministerpräsident Beck hat gestern dankenswerterweise angekündigt, dass diese Regelung selbstverständlich auch für die Staatssekretärinnen und Staatsekretäre sowie für die Ministerinnen und Minister gelten sollen. Ich schlage vor, dass auch wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier uns nicht davon ausnehmen sollten und in den nächsten fünf Jahren ebenfalls einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten sollten. Alles andere wäre nicht gerecht und auch nicht weiter vermittelbar, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Es wird angesichts unserer Sparvorschläge viel diskutiert, und das ist auch normal. Das ist richtig, und das soll auch so sein.
Lassen Sie mich kurz auf ein paar Punkte eingehen. Ja, wir werden eine Justizreform machen. Ja, wir werden auch im Justizbereich Strukturen verschlanken und optimieren, um Einsparungen zu erzielen. Ja, wir haben vereinbart, zukünftig eine Generalstaatsanwaltschaft und ein Oberlandesgericht in Rheinland-Pfalz zu haben. Es wäre auch im Vergleich zu anderen Bereichen, in denen wir sparen wollen oder schon Effizienzen gehoben worden sind, so bei der Kommunalreform, bei den Beamtinnen und Beamten, bei vielen anderen Dingen mehr, nicht, überhaupt nicht zu vermitteln, wenn wir die Justiz aussparen wollten. Wir wollen dabei Synergien schaffen, ohne die Rechtsprechung zu schwächen und ohne die Erreichbarkeit von Gerichten zu verschlechtern. Wir werden uns alle Einsparvorschläge dabei ganz genau anschauen, bewerten und dann entscheiden.
Was wir in Koblenz nicht machen werden, ist eine Schließung nach dem Motto: Rollläden runter und Schlüssel umdrehen. – Nein, das wollen wir auf keinen Fall. Wir wollen eine Justizreform, die in sich geschlossen ist, Sinn macht und am Ende auch wirklich Effizienzen bedeutet.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ist das jetzt die nachgelieferte Begründung, oder was?)
Das gilt auch für die Reduzierung von Verwaltungsgerichten. Ich werde als Mainzer nicht der Versuchung unterliegen, hier sozusagen in vorauseilendem Gehorsam Kirchturmpolitik zu machen und zu sagen, ich verspreche, dass dieser Standort erhalten bleibt. So wurde in den letzten Jahrzehnten auf allen Ebenen Politik gemacht. Das ist doch auch ein Grund, warum die öffentlichen Haushalte so dastehen, wie sie jetzt dastehen. Das bin ich meinen Kindern persönlich verantwortlich, auch über den Kirchturm oder, Frau Klöckner, über den Tellerrand hinauszuschauen und nicht immer pro domo für meine eigene Haustür zu reden, sondern das Ganze im Blick zu haben, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten noch Gestaltungsspielräume und eine funktionierende Justiz gibt.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir werden mit den Betroffenen natürlich den Dialog suchen, weil es sich auch so gehört. Wir werden uns die Argumente und Vorschläge ganz genau anhören. Zu einer mutigen Finanzpolitik gehört auch anderswo, dass sie alte Zöpfe abschneidet. Wir werden den Zuschuss für die Formel 1 am Nürburgring drastisch zurückfahren. Ich habe mich auch für Sebastian Vettel gefreut, dass er Weltmeister geworden ist. Aber ein Zirkus, ein ökonomischer Betrieb, der so viel Umsatz macht und in dem Menschen so viel Geld verdienen, muss nicht dauerhaft mit Steuergeldern subventioniert werden, das dann an unseren Schulen, Kitas und Hochschulen fehlt. Ich bin froh, dass wir jetzt gemeinsam diesen Weg gehen und sagen, hier müssen wir den Subventionshahn zudrehen. Das gilt übrigens auch für die Flughäfen in Zweibrücken und am Hahn, wo wir mit klugen Konzepten eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive für die Region entwickeln. Nachhaltig heißt eben auch, ohne Dauersubventionen, weil das auch kein nachhaltiges Wirtschaften in Zukunft bedeuten kann.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN undvereinzelt Beifall bei der SPD)
Was wir uns nicht vorwerfen lassen ist, dass wir an der Bildung sparen.
(Frau Klöckner, CDU: Vereinzelt Beifall bei der SPD!)
Ich empfehle allen eine Lektüre des Koalitionsvertrages. Vielleicht müssen wir noch einmal über die Kommunikation reden, wer die entsprechenden bildungspolitischen Passagen demnächst vorstellt.
(Frau Klöckner, CDU: Ui, ui, ui!)
Aber dass wir in den nächsten fünf Jahren an der Bildung sparen wollen, das war, das ist und das wird falsch bleiben. Das Gegenteil ist doch richtig. Wir werden die Klassen verkleinern. Wir werden kleine Grundschulstandorte in der Fläche erhalten. Wir werden die Studienkonten abschaffen.
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)
Wir werden mit 30 Millionen Euro zusätzlich in dieser Legislaturperiode die Qualität in den Kitas verbessern. Wir werden die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen auf einem höheren Niveau als bisher sicherstellen und die Betreuungsrelationen zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern deutlich verbessern und darüber hinaus gegenüber den Planungen noch tausend zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer schaffen. Das bedeutet, die rot-grüne Koalition wird pro Kind, pro Schülerin und pro Schüler, mehr Geld für die Bildung investieren, als es jemals in diesem Land der Fall gewesen ist. Darauf sind wir besonders stolz, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir wissen – um bei der Bildung zu bleiben –, dass Bildung die Zukunftsinvestition ist. Da geht es um Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit. Ich lasse es nicht zu, dass dazwischen immer wieder so getan wird, als würde es sich ausschließen. Das Gegenteil ist der Fall. Gerechtigkeit im Bildungssystem ist erst die Grundvoraussetzung dafür, alle Talente optimal zu fördern und das Allerbeste für die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftens aus den jungen Menschen herauszuholen. Das ist doch die Erkenntnis auch aus PISA. Das ist die Erkenntnis, die wir in den nächsten fünf Jahren weiter umsetzen wollen, indem wir längeres gemeinsames Lernen stärken, indem wir die zweite und die dritte Chance etablieren, indem wir die individuelle Förderung ausbauen und indem wir auch die integrativen Realschulen plus stärken und mit den kooperativen Realschulen plus darüber reden, ob es wirklich so sinnvoll ist, in einem Haus an einem Schulstandort die Kinder wieder frühzeitig nach dem Motto zu trennen, deine Eltern haben nicht das Einkommen und kommen vielleicht aus einer türkischen Familie und deine nicht.
(Widerspruch von der CDU)
So ist es nachweislich. Das zeigen Ihnen alle Statistiken. Lesen bildet.
(Frau Schäfer, CDU: Das ist ja abenteuerlich! –
Ramsauer, SPD: Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!)
Es ist für uns alle besser. Ein längeres gemeinsames Lernen bedeutet auch, länger mehr voneinander zu lernen. Es ist besser für die Gesellschaft. Es ist besser für die Wirtschaft und für die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft jetzt und in der Zukunft, wenn das Bildungssystem leistungsfähig und vor allem auch gerechter wird, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD –
Dr. Rosenbauer, CDU: Gerechter wird! Aber wer hatte denn 20 Jahre Verantwortung für die Bildung? Es ist schon interessant, dass Sie jetzt klatschen! –
Hering, SPD: Wir entwickeln das ständig weiter!)
Wir werden einen ganz großen weiteren Schritt im Bildungsbereich gehen. Wir werden die vollständige und gleichwertige Einbeziehung von Kindern mit Behinderungen in unser Schulsystem in den nächsten fünf Jahren realisieren. Wir wollen und werden das verbindliche Wahlrecht für Eltern von Kindern mit Behinderung in Rheinland-Pfalz einführen. Wir verfolgen das Ziel der vollständigen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das können wir vielleicht noch nicht vollständig in dieser Legislaturperiode erreichen, aber wir werden einen großen Schritt in dieser Legislaturperiode zu diesem Ziel hingehen.
Ich halte es für einen ganz elementaren Baustein gesellschaftlicher Gerechtigkeit, wie wir mit denjenigen umgehen, die von Geburt an Beeinträchtigungen haben und nichts dafür können, dass wir sie in unsere Gesellschaft hineinnehmen, dass wir sie in unsere Gesellschaft so einbauen – da ist die Bildungsinstitution zentral –, dass sie sozusagen keine Sonderregelung brauchen, sondern dass sie als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft hier in Rheinland-Pfalz demnächst weiter und noch stärker dazugehören. Das ist eine ganz starke Frage der Gerechtigkeit. Ich füge für mich persönlich hinzu, auch meines christlichen Menschenbildes.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Auch in den Hochschulen werden wir einiges für die Studierbarkeit tun, was den Bachelor und den Master angeht. Die Hochschulgremien werden wir demokratisieren. Wir werden weiter in die Hochschulen und in die Forschung investieren. Wir werden die Studienkonten in Rheinland-Pfalz abschaffen und somit die Gebührenfreiheit im rheinland-pfälzischen Bildungssystem 2012 vollenden.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)
Kostenlose Bildung von Anfang an ist ein wichtiger Eckpfeiler sozialer Gerechtigkeit. Die soziale Gerechtigkeit steht neben der ökologischen Erneuerung ganz im Zentrum der Arbeit dieser Koalition. Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt. Deswegen werden wir nicht tatenlos zusehen, dass fast eine halbe Million Menschen in diesem Bundesland Armutsrisiken ausgesetzt ist. Wir wollen diesen Menschen soziale und kulturelle Teilhabe überall in diesem Land ermöglichen und Perspektiven eröffnen. Wir werden dazu einen landesweiten Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut und zur Sicherung der sozialen Teilhabe gemeinsam mit der Landesarmutskonferenz, mit den sozialen Trägern und auch mit den Kommunen entwickeln und schrittweise umsetzen. Diese Landesregierung wird sich vor allem daran messen lassen – das tun wir gerne –, wie sie mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft und mit denen, die es am schwersten haben, umgeht. Wir fangen bei den Kindern und Familien an, hören aber dort nicht auf, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –
Frau Kohnle-Gros, CDU: Die Landesarbeitskonferenz hat bisher nur die Landesregierung kritisiert!)
Deswegen bekennen wir uns zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, aber nicht zu einer Arbeit um jeden Preis, zu einem Prozess für gute Arbeit in Rheinland-Pfalz, für einen flächendeckenden Mindestlohn, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für einen intensiven Dialog mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Weiterhin haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, Rheinland-Pfalz zu einem Musterland für betriebliche Mitbestimmung zu machen; denn nur der, der mitbestimmen kann, wird die Verantwortung für das Wirtschaften und die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen in unserem Bundesland übernehmen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Familie ist da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen.
Dabei ist es unwichtig, ob es so wie bei mir ist, ganz klassisch konservativ, verheiratet, zwei Kinder, oder ob es dabei um Elternfamilien, Patchworkfamilien geht, ob es sich um Menschen handelt, die Verantwortung für die Pflege von Angehörigen übernehmen. Weiterhin seien Regenbogenfamilien, Singles und Personen unter der Bezeichnung „double income, no kids“ zu erwähnen. All das ist Familie, wenn Menschen Verantwortung übernehmen. Familie ist in diesem Sinne tatsächlich Keimzelle unserer Gesellschaft. Aber die Gesellschaft ist vielfältiger, als das das eine oder andere Familienbild wahrhaben will. Wir werden in dem modernen Sinne die Familie ganz in den Mittelpunkt stellen, weil wir um ihre Bedeutung für die Gesellschaft wissen. Wir wissen auch, dass diese Vielfalt eine Herausforderung in der Gesellschaft ist und vor allem aber große Chancen für die gesellschaftliche Entwicklung und die Zukunft unseres Bundeslandes Rheinland-Pfalz bietet.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir wissen, dass es insbesondere die Frauen sind, die in der Lage sind, in der Gesellschaft und in der Politik die Geschicke verantwortlich zu leiten. Deswegen ist diese Koalition – Herr Ministerpräsident, Sie werden es mir gestatten – durch und durch gegendert. Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in unserem Land steht ganz oben auf der Agenda. Mir ist es deswegen schon eine Ehre, hier verkünden zu können, dass wir der weiblichste aller Landtage in der Republik mit dem höchsten Frauenanteil sind. Wir haben das weiblichste Kabinett letzte Woche ins Amt gebracht. Ich glaube, ich kann im Namen des Kollegen Hering auch als Mann die uneingeschränkte Begleitung und Unterstützung zusichern.
(Heiterkeit und Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Sie sehen, die Fraktionen sind sich einig. Die rot-grüne Koalition ist eine Koalition der Moderne, der Vielfalt und der Toleranz. Bei allem bleiben wir ein bisschen locker und verlieren nicht unseren Spaß. Toleranz und Toleranzerziehung sind für uns wichtig. Das fängt in den Kindertagesstätten an und geht in den Schulen weiter. Das geht weiter bis in die außerschulische Bildung, in die Weiterbildung und in die Hochschulen hinein. Wir wollen die Grundlage legen, dass unser weltoffenes Rheinland-Pfalz eine weltoffene Gesellschaft bleibt und sich weiter in diese Richtung entwickelt. Es soll ein offenes Land bleiben für Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen, ethnischer Herkunft, sexueller Identität oder persönlicher Lebensweise. Deswegen werden wir die Antidiskriminierungsarbeit verstärken und an einer Stelle bündeln, weil diese Menschen immer noch Diskriminierung im Alltag oder im Berufsleben zum Opfer fallen. Aber dort, wo nicht Toleranz, sondern antidemokratisches und faschistisches Gedankengut die Köpfe beherrscht, sind wir auch wehrhafte Demokratinnen und Demokraten.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: Auf einem Auge blind, oder was? Das sieht man von hier aus!)
– Was an der Formulierung „antidemokratisches und faschistisches Gedankengut“ mit „auf einem Auge blind“ bedeutet, müssen Sie mir wirklich einmal erklären.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: In diesem Hause heißt es, dass man auf einem Auge – – –)
Ich würde aufpassen, ob die Gleichsetzung von linken Tendenzen und Faschismus in der Bundesrepublik Deutschland nicht an der Grenze des Geschichtsrevisionismus ist.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Wir haben es hier immer gegenseitig besprochen! – Weitere Zurufe von der CDU)
Wir haben uns jedenfalls den Kampf gegen den Rechtsextremismus, den Rassismus, Intoleranz und Antidemokratie jeglicher Art auf die Fahnen geschrieben.
(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)
Wir werden entsprechende Verbände und Initiativen weiter unterstützen.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: Fragen Sie einmal unsere Polizei, wo sie jetzt – – –)
Ich habe persönlich das Netzwerk für Demokratie und Courage damals mit aufgebaut. Diese leisten heute eine hervorragende Arbeit in diesem Sinne. Deswegen ist das für uns ein ganz wichtiges Anliegen. Ich dachte, hier im Sinne aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier sprechen zu können
(Anhaltend Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir haben das Thema „Integration“ ganz nach oben in den Ministerialrang gebracht. Wir haben jetzt ein Integrationsministerium in Rheinland-Pfalz. Das geschieht übrigens nach nordrhein-westfälischem Vorbild, wo die schwarz-gelbe Landesregierung etwas Vorbildhaftes installiert hat. Das sage ich ganz ohne Neid. Die Integration stellt in unserer bunten und vielfältigen Gesellschaft eine große Herausforderung dar. Integration funktioniert in der Gesellschaft und muss noch viel stärker in der Arbeitswelt funktionieren. Deswegen wollen wir bereits in der Schule die individuelle Förderung auf die jeweiligen Bedürfnisse ausrichten. Das bedeutet, dass man die Sprachförderung und insbesondere den muttersprachlichen Unterricht stärker fördert. Dieser muss weitergeführt und ausgebaut werden. Wir wissen, nur, wer seine Muttersprache beherrscht, der kann auch die Verkehrssprache Deutsch perfekt beherrschen. Die Beherrschung der Sprache Deutsch ist das zentrale Mittel zur Integration in unserem Land. Von daher werden wir die Muttersprache stärken, weil wir mehr Integration und den Kindern später auf dem Arbeitsmarkt entsprechende Chancen geben wollen. Muttersprachlicher Unterricht trägt zu mehr Gerechtigkeit bei und hat mit Parallelgesellschaft oder sonstigen Hirngespinsten gar nichts zu tun.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Integration bedeutet für uns gemeinsam in Vielfalt leben. Daher werden wir die Vielfalt der Religionen in Rheinland-Pfalz weiterhin zu schätzen wissen. Wir werden mit ihnen in den Dialog treten. Jeder Mensch ist frei im Glauben oder Nichtglauben. Den Gläubigen werden wir den nötigen Raum geben. Deswegen wird die rot-grüne Koalition den intensiven Dialog mit den christlichen Kirchen weiterführen. Das gilt auch für die jüdischen Gemeinden.
Wir werden die Musliminnen und Muslimen als wichtigen Partner für einen regelmäßigen Dialog anerkennen und gemeinsam die Herausforderungen und Interessen besprechen und die Probleme benennen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Integration heißt nicht, übereinander zu reden, sondern miteinander die Probleme zu diskutieren und gesellschaftliche und politische Lösungswege zu beschreiten.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Ich habe vorhin viel über den Schuldenstand des Landes und der öffentlichen Haushalte gesprochen. Wenn wir aber einmal einen Blick in die Welt werfen, dann sehen wir, dass Rheinland-Pfalz eigentlich ein reiches Land ist.
Deswegen werden wir auch daran gemessen, wie wir mit denjenigen umgehen, die zu uns kommen, um Schutz zu suchen vor Vertreibung, Krieg, Armut, Folter und vielerlei Gräuel. Daher sehen wir es gemeinsam als unsere elementare Verpflichtung an, die bundesgesetzlichen Regelungen im Flüchtlingsbereich so human und menschenwürdig umzusetzen, wie es irgendwie geht.
Daher werden wir auch das Ausreisezentrum – die LUfA – in Trier umgehend schließen und für die Gewahrsamseinrichtung in Ingelheim in dieser Legislatur ein adäquates Alternativkonzept diskutieren, präsentieren und beschließen, um die Abschiebeeinrichtung in Ingelheim bis zum Jahr 2016 allerspätestens geschlossen zu haben. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher symbolischer humanitärer Akt in Rheinland-Pfalz. Wer mit den Flüchtlingen menschlich und gut umgeht, der ist auch in der Lage, vier Millionen Menschen in eine gerechte und bessere Zukunft zu führen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, ich habe schon angesprochen, Integration und die Vielfalt der Menschen in diesem Land spielen eine bedeutende Rolle für diese Koalition. Aus diesem Grund haben wir alle Kompetenzen und alles Wissen in einem eigenständigen Ministerium gebündelt. Wir haben sozusagen ein kreatives Haus geschaffen, ein Ministerium, das die ganze Vielfalt unseres bunten Rheinland-Pfalz, unserer bunten rheinlandpfälzischen Gesellschaft vertritt, Ansprechpartnerin ist und Diskriminierung dem Kampf ansagt. Es ist mitnichten überflüssig. Es ist schon gar nicht Geldausgeberei, sondern es ist vor allem auch politischer Ausdruck eines Bekenntnisses zu einem toleranten und weltoffenen Rheinland-Pfalz. In diesem besten Sinne wird es auch von einer grünen Saarländerin geführt.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD –
Pörksen, SPD: Eine Saarländerin hattenwir schon mal hier! –
Ministerpräsident Beck: Wir haben noch eine!)
Rheinland-Pfalz – das ist bereits gesagt worden – steht wirtschaftlich gut da und hat die Finanz- und Wirtschaftskrise einigermaßen überwunden und auch gut überwunden. Wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass Rheinland-Pfalz wirtschaftlich gut aufgestellt bleibt, und hier auch noch mehr Innovationen auslösen. Nachhaltigkeit und ökologische Innovation sind zentrale Leitmotive unserer Wirtschaftspolitik. Wir sehen es auch als Chance an, nach neuen Potenzialen in unserem Land Ausschau zu halten.
Über Energie und Klimaschutz habe ich viel gesprochen, aber ich möchte noch eine Branche aufführen. Unsere Universitäten bilden jedes Jahr hoch qualifizierte Menschen in den Kreativ- und IT-Bereichen aus. Wir haben hier zahlreiche Lehr- und Forschungsprojekte im Land, deren Absolventen in Kaiserslautern, Koblenz und Trier bisher nicht immer auch eine direkte Anschlussperspektive für eine Selbstständigkeit oder eine Anstellung – viele von ihnen wollen selbstständig kreativ sein – bei uns finden und dann häufig nach Frankfurt, Hamburg, Köln oder Berlin gehen. Ich glaube, hier haben wir noch Handlungsoptionen, dass es uns gelingt, diesen Menschen durch Wissenstransfer, durch vorzeitige Netzwerkbildung und Clusterbildung hier noch stärker eine Perspektive in der Kreativbranche und in der IT-Branche zu geben. Ein ganz wichtiger Baustein dabei ist die von der Koalition angestrebte schnellstmögliche Versorgung mit Breitbandanschlüssen im ganzen Land Rheinland-Pfalz. Das ist ein Teilhabefaktor, aber es ist auch ein knallharter Wirtschaftsfaktor gerade für die ländlichen Regionen in Rheinland-Pfalz.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die moderne Wirtschaft hat ihren Gütertransport nicht mehr nur auf den klassischen Wegen, sondern der findet heute auch über das Internet statt. Deswegen werden wir uns für eine umfassende und dauerhafte Netzneutralität und für die Gleichbehandlung aller Daten im Internet einsetzen. Auch deswegen spielt die Netzpolitik für diese Landesregierung in Zukunft eine gewichtige Rolle, weil sie auch bei den Menschen und bei den Unternehmen eine wichtige Rolle spielt. Das Internet und die modernen IT-Technologien sind selbstverständlicher Teil des Alltags der Menschen und der Unternehmerinnen und Unternehmer geworden. Die Kommunikation und das Leben in unserer Gesellschaft hat sich dadurch grundlegend geändert.
Wir wollen dem nicht mit Angst begegnen, sondern das aufnehmen und diese Veränderung aktiv gestalten. Für uns ist ganz klar: Bürgerrechte gelten auch im Internet. – Aber die Freiheit ist nun einmal ein zentrales Bürgerrecht. Deswegen lehnen wir Netzsperren jeglicher Art ab. Für die Koalition gilt der Grundsatz „löschen statt sperren“ in umfassender Form. Was im Netz und was in der Realität ekelhaft ist und nichts zu suchen hat und gegen unsere Rechte verstößt, das hat im Netz nichts zu suchen. Da muss man nichts sperren, sondern da muss man löschen und mit allen Mitteln der Strafverfolgung entgegenwirken und hier nicht eine Zensurinfrastruktur im Netz aufbauen, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir werden die zahlreichen Möglichkeiten der neuen Medien aber auch dazu nutzen, die Beteiligung der Menschen an Politik und die Transparenz zu erhöhen.
Es ist vielleicht auch für die Qualität der Debattenkultur hier förderlich, wenn sich mehr Menschen die Plenarsitzungen mit Livestream im Internet anschauen können und das vielleicht auch noch direkt kommentieren und bewerten können und mit uns in den Diskurs treten.
(Pörksen, SPD: Da bin ich mir nicht so sicher, Herr Kollege! Da bin ich sehr skeptisch)
Es wird jetzt seit wenigen Jahren auch bei Wahlergebnissen vorab getwittert. Im Wahlkampf wird Facebook genutzt. Wissenschaftliche Publikationen von Ministern oder Abgeordneten werden in Wikis auf ihre Authenzität überprüft. Programme oder politische Positionen werden in EtherPads oder mit Google Docs entwickelt. Das sind nur ein paar Stichworte für die Entwicklungen auch von Politik in jüngster Vergangenheit. Wir werden die Enquete-Kommission auch mit der Frage beauftragen, wie wir diese zahlreichen Chancen in unserem Land bestmöglich nutzen können, um den Dialog mit den Menschen zu verbessern, zu verstetigen, auf eine neue Basis zu stellen und ein neues Zeitalter parlamentarischer Demokratie aufzuschlagen. Ich sehe dieser Zeit mit hoher Freude und mit großen Erwartungen entgegen.
Die Bürgerrechte spielen aber nicht nur im Netz eine große Rolle. Um Bürgerrechte zu sichern, werden wir auch in Zukunft die Polizei in der Fläche erhalten. Wir werden die Polizei aber auch demokratisieren und öffnen, eine entsprechende Beschwerdestelle zugänglich machen und in besonderen Einsatzlagen auch die individuelle Kennzeichnung der Polizistinnen und Polizisten vorsehen, um auch die Akzeptanz gerade bei jungen Menschen zu verbessern.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Viele junge Menschen haben nicht per se, wenn sie auf Demonstrationen gehen, ein Problem mit der Polizei. Sie haben meistens ein Problem mit den Nazis, gegen die sie gerade demonstrieren, oder mit anderen Themen. Aber wenn sie das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden und dann das Gefühl haben, sie können sich überhaupt nicht im Nachgang wehren oder zumindest einmal erkundigen, dann trägt das nicht zur Akzeptanz der Polizei bei.
Die demokratische offene Polizei ist eine ganz elementare Voraussetzung für die Zukunft der demokratischen Gesellschaft. Wenn Gewalt demokratisch legitimiert sein soll, dann brauchen wir die Anerkennung der Exekutivgewalt, die diese Gewalt im Einzelfall dann auch ausübt. Dafür braucht es eine Anerkennung gerade auch von jungen Menschen. Da sind Offenheit und Demokratie nicht Gängelung, sondern auch ganz im Sinne der Polizei für die Zukunft und Sicherheit in diesem Land.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Das hat auch etwas mit Vertrauen zu tun. Vertrauen können uns auch die Wählerinnen und Wähler. Liebe Frau Klöckner, weil Sie es angesprochen haben – ich hatte es gar nicht vor, aber ich betone es nochmals –, für uns GRÜNE war, ist und bleibt der Hochmoselübergang falsch. Wir bleiben aber bei der Auseinandersetzung darüber bitte schön bei der Wahrheit.
(Dr. Weiland, CDU: Gibt es ein richtiges Leben im falschen?)
Es geht auch um Ehrlichkeit, Redlichkeit und Verlässlichkeit.
Weil wir das verkörpern und uns die Wählerinnen und Wähler das auch glauben, regieren wir die nächsten fünf Jahre.
Für uns GRÜNE ist es ganz klar eine politische Niederlage, dass der Hochmoselübergang weiter gebaut werden muss. Da gibt es gar nichts zu deuteln. Wir haben in den wenigen Wochen nach der Wahl alle Zahlen geprüft. Der Regierung bin ich wirklich dankbar, dass sie uns dazu die Möglichkeit gegeben hat. Wir mussten erkennen, dass wir ein oder zwei Jahre zu spät an die Regierung gekommen sind,
(Unruhe bei der CDU)
um in einer verantwortbaren Weise aus diesem Projekt noch auszusteigen.
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Vielleicht hören Sie einmal zu! –
Frau Klöckner, CDU: Das sagt gerade die Richtige!)
Ich weiß nicht, wo hier die parlamentarische Mehrheit hergekommen wäre, einen zwei- oder sogar dreistelligen Millionenbetrag aufzubringen, um den Hochmoselübergang noch zu stoppen. Das haben wir eingesehen. Das müssen wir unseren Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern auch erklären. Das tun wir auch. Ich betone aber: Wir sind in dieser Frage immer ehrlich geblieben. Wir haben im Wahlkampf nichts versprochen, was wir hinterher nicht halten konnten.
(Unruhe bei der CDU)
Da empfehle ich die Lektüre unseres Wahlprogramms. In allen Äußerungen von Frau Lemke und mir im Wahlkampf haben wir nie behauptet, dass wir sicher sind, dass wir in diesem Landtag den Bau dieser Brücke noch stoppen können. Wir haben nie gesagt, dass wir eine Garantie abgeben können, dass es mit uns diese Brücke nicht geben wird.
(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)
Wir haben alles dafür getan zu schauen, ob es noch möglich ist, sie zu verhindern. Wir konnten sie nicht mehr verhindern, aber wir lassen uns nicht nachsagen, dass wir unredlich gewesen seien, weil das nicht stimmt und wir das so einfach nicht stehen lassen können. Der betroffene Kreisverband hat zu 100 % dem Koalitionsvertrag auf unserem Parteitag zugestimmt, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wenn wir uns das Verkehrsprogramm anschauen, können wir feststellen, dass das doch ein modernes Infrastruktur- und Verkehrsprogramm ist. Wir werden die Mittel für die Kommunen für den ÖPNV verdoppeln. Wir werden für die A 643 eine gute Lösung finden. Wir werden uns – um nur einige Beispiele zu nennen – dem Verkehrslärm widmen. Das gilt gerade für den Fluglärm und den Bahnlärm im Mittelrheintal. Wir werden eine Verkehrspolitik betreiben, die die Mobilität der Menschen in diesem Land sicherstellt, die aber gleichzeitig auch die Schöpfung in diesem Land erhält. Herr Kollege Hering hat sich gewundert, dass das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ nicht vorkam. Ich habe mich gewundert, dass das Thema des Erhalts der Schöpfung in der Rede von Frau Klöckner überhaupt nicht vorgekommen ist.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Dabei ist Rheinland-Pfalz doch so ein schönes,
(Frau Klöckner, CDU: Das ist eine Selbstverständlichkeit!)
so ein grünes und erhaltenswertes Bundesland. Man sollte es nicht überall mit Straßen zupflastern oder Straßen in den Himmel bauen, um dann auf den Wolken noch Parkplätze zu fordern, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Wir haben uns in der Umweltpolitik viel vorgenommen. Wir werden die Umweltpolitik und die Landwirtschaftspolitik zusammenführen, weil für uns diese beiden Politikfelder zusammengehören. Wir werden eine Biodiversitätsstrategie auf den Weg bringen, um dem Artenrückgang und der Bedrohung der Lebensräume entschieden entgegenzuwirken. Wir werden den Zuwachs an Flächeninanspruchnahme begrenzen und wenn möglich auf null zurückführen. Wir werden dafür auch den Landesentwicklungsplan zumindest teilfortschreiben.
Wir werden uns auf die Suche nach einem geeigneten Standort für einen Nationalpark in Rheinland-Pfalz begeben. Auch das ist ein wichtiges Symbol für eine neue Umweltpolitik in diesem Land.
Wir werden die Landwirtschaftspolitik, was die ökonomischen Erfordernisse und was die Nachhaltigkeit angeht, zusammenführen. Wir nehmen die großen Herausforderungen an, die dabei vor uns stehen, was den Klimaschutz, den Artenerhalt, aber auch die Ernährungssicherheit, was den Tierschutz und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen, aber nicht zuletzt auch die Wertschöpfung im ländlichen Raum und den Erhalt zahlreicher Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen Bereich angeht. Wir wollen dafür künftig stärker den Ökolandbau unterstützen und bei der Umstellung auf Bio, der Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch bei der Schaffung regionaler Absatzmärkte und lokaler Vermarktung unterstützend wirken.
Im Land der Reben und Rüben – auch wenn der Ministerpräsident den Begriff gestern etwas negativ besetzt hat – werden wir uns – das sage ich als Konsument – gerne auch um die Qualität im Weinbau kümmern. Da sind wir ganz beieinander. Es ist vordringliche Aufgabe einer rheinland-pfälzischen Politik, eine nachhaltige, eine ökologische und eine auf Qualität setzende Weinbaupolitik zu betreiben. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, Landwirtschafts- und Weinbaupolitik sind Verlässlichkeit, verlässliche Produktion und Verlässlichkeit für den Verbraucher.
(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)
– Liebe Kollegin, deshalb wird Rheinland-Pfalz in der
Zukunft gentechnikfrei bleiben.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden nicht nur das modernste Umweltprogramm der Republik in den kommenden fünf Jahren umsetzen, sondern wir wollen auch – dafür bin ich dem Ministerpräsidenten dankbar – modernste Tierschutzpolitik in diesem Land machen und das Verbandsklagerecht für eingetragene Tierschutzverbände einführen, die Haltung von Großwildtieren in Zirkussen untersagen, Tierversuche reduzieren und Alternativen fördern. Natürlich werden wir, auch wenn es dem einen oder anderen nicht schmeckt, einen fleischlosen Tag in der Woche unterstützen, den sogenannten Veggiday. Was Sie an den anderen sechs Tagen essen, ist mir herzlich egal.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich freue
mich wirklich sehr, dass nach fünf Jahren an dieser Stelle wieder ein Grüner sprechen darf. Sie können mir glauben, die vergangenen Jahre waren hart und sehr lange. Jetzt sind wir aber wieder da.
Meine Damen und Herren, es freut mich noch mehr, dass ich heute zur Aussprache der Regierungserklärung des alten und von uns geschlossen mit gewählten neuen Ministerpräsidenten als Koalitionspartner sprechen darf.
Ich darf Ihnen allen versichern, wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen es als große Aufgabe an, aus der außerparlamentarischen Opposition direkt in die Regierungsverantwortung zu gehen. Wir sind uns dieser Verantwortung voll und ganz bewusst.
Wir haben den nötigen Respekt, aber auch den Tatendrang, die vor uns stehenden Herausforderungen zu meistern. Wir haben genug Visionen und noch mehr Konzepte, um dieses Land in den nächsten Jahren – wir arbeiten dafür, dass es Jahrzehnte werden – zu gestalten. Wir sind aber auch demütig genug zu erkennen, dass in einer Demokratie das Regieren immer nur Herrschaft auf Zeit bedeutet. Daher werden wir die kommenden fünf Jahre nutzen, um hart zu arbeiten für unser Land Rheinland-Pfalz, für die Menschen und die Umwelt sowie die kommenden Generationen in unserem Land. Wir GRÜNE treten an, um gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Partei dem sozialökologischen Wandel in unserem Land eine Richtung zu geben. Wir folgen dabei einem klaren Wertegerüst, einem klaren Kompass. Unsere Leitprinzipien sind Solidarität, Verantwortung und Nachhaltigkeit.
Auf eine bessere und gerechtere Zukunft unseres Landes.
Wir packen es an! Ich danke Ihnen.
(Anhaltend starker Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Verwandte Artikel
Nachhaltige Konsolidierung wichtig
30. Juli 2024
Bezugnehmend auf die Nachricht der Ablehnung des Nachtragshaushaltes 2024 durch die ADD erklärt Daniel Köbler,
…
GRÜNE wählen Fraktionsvorstand
1. Juli 2024
In ihrer Fraktionsklausur am vergangenen Sonntag hat die neugewählte Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Fraktionsvorstand gewählt.
…
Teilhabe und Beiräte für Senior*innen
Meine Rede zur Teilhabe und Beiräten für Senior*innen im Rahmen der 63. Plenardebatte im Landtag Rheinland-Pfalz am 14. März 2024.
…