Schulen stärken – Gute Bildung für alle ermöglichen

Bildung ist der Schlüssel zu einer gerechteren und inklusiven Gesellschaft. Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, welche Rolle Kitas und Schulen für Kinder und für die Gesellschaft spielen. Fallen sie weg, bricht ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft weg. Allerdings hängt der Bildungserfolg nach wie vor von der sozialen Herkunft ab. Kinder und Jugendliche und deren Familien gehören schon jetzt zu den großen Verlierern der Corona-Krise.
Internationale Studien zeigen, dass die diejenigen Schüler*innen während der Schulschließungen in ihrer Lernentwicklung weiter zurückfallen, die es aufgrund ihrer sozialen Benachteiligung und des familiären Hintergrunds es ohnehin schon schwerer haben. So öffnet sich die Schere in unserem
Bildungssystem und mittelfristig in unserer Gesellschaft noch weiter.
Unser Ziel ist es daher allen Kinder mit guter Bildung gleiche Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Jedes Kind ist einzigartig, hat Stärken und Schwächen. Deswegen ist die Antwort auf Heterogenität im Klassenzimmer nicht Gleichmacherei, sondern es braucht differenzierte Lösungen.
Lehrkräfte brauchen gezielte Unterstützung und Entlastung um individueller Förderung gerecht zu werden. Damit alle Kinder bestmöglichst individuell gefördert werden und möglichst lange
gemeinsam lernen können, muss die Unterstützung durch Ressourcen auch den Herausforderungen folgen.
Schulen sind nicht nur Bildungseinrichtungen, sondern auch wichtige Lebensorte.
Das muss uns Auftrag sein, die bestehenden Probleme bei Betreuung und Bildung anzugehen und aus den Erfahrungen der Krise zu lernen. Wir sollten Schulen stärker als Ort des gemeinsamen Lernens, Spielens und Miteinanders begreifen und die Chancen digitaler Bildung nutzen.
Denn wir können es uns nicht weiter erlauben, dass der Bildungserfolg unserer Kinder von ihrer sozialen Herkunft abhängt. Daher gilt es zukünftig dort zusätzlich investieren, wo die Herausforderungen besonders groß sind. So kann ein gerechteres Bildungssystem zu einer
gerechteren Gesellschaft führen.

Digitale Offensive für unsere Schulen
Digitale Bildung ist kein Selbstzweck, sondern muss einer pädagogischen Idee folgen, dann kann sie das Lernen vielfältig unterstützen. Digitales Lernen ist mehr als Buchseiten einscannen und mailen. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie groß der Nachholbedarf ist. Viele Schulen und
Lehrkräfte haben mutig mit neuen Formen experimentiert. Daraus sollten wir die besten Ideen mitnehmen und weiterlernen. Schulkinder haben Anspruch auf ein pädagogisches Angebot unabhängig davon, ob es als Präsenz- oder Fernunterricht umgesetzt wird. Dafür sind die
organisatorischen, technischen und didaktischen Voraussetzungen in allen Schulen zu schaffen.
In Schulen brauchen Eltern, Kinder und Beschäftigte dauerhaft verlässliche Stunden- oder Wochenpläne auf Basis der Stundentafeln. An Schulen muss dann ggf. der Wechsel zu mehr Fernunterricht erfolgen. Im Grundsatz gilt: Je jünger die Kinder, desto wichtiger ist ein Präsenzangebot.
Die digitale Infrastruktur der Schulen braucht ein schnelles Update. Ziel muss es sein, dass zu jede Schule Breitbandinternet und WLAN zur Verfügung hat. Alle Schulen sollen zukünftig in die landesweite Plattform „Schulcampus RLP“ integriert werden. Jedes Schulkind muss zudem bei
Bedarf einen Laptop oder Tablet in der Schule unentgeltlich ausleihen können.

Von der „Gießkanne“ zur gezielten Unterstützung
Der Umgang mit Heterogenität, integrativer Unterricht mit Binnendifferenzierung und inklusive Schulen brauchen zusätzliche personelle, räumliche und beratende Unterstützung. Gerade ihnen wollen wir vermehrt die Möglichkeit geben, Lerngruppen zu verkleinern, Doppelbesetzungen zu realisieren und eigenverantwortlich multiprofessionelle Teams aus Lehrerinnen, Schulsozialarbeit und Förderkräften zu gestalten. Hierfür muss es zusätzliche Stellenzuweisungen für Inklusion und differenzierten Unterricht geben. Das gilt im Bedarfsfall auch für das Erlernen bzw. Nachholen von Grundbildung: Unser Ziel muss sein, dass alle Schülerinnen in Rheinland-Pfalz nicht nur einen Abschluss bekommen, sondern auch die Mindestkompetenzen an Grundbildung für soziale und kulturelle Teilhabe erlernen.
Dafür braucht es den Einstieg in eine zusätzliche sozialindikatorgestützter Ressourcenzuweisung für unsere Schulen. Das heißt je bildungsferner die Sozialstruktur und je heterogener die Schülerinnenschaft, desto höher sollten die zusätzlichen Zuwendungen (Lehrkräfte, multiprofessionelle Teams, Sozialbudgets) sein. Mit dem Projekt „S⁴ Schule stärken – Starke Schule“ gehen wir diesen Weg in Rheinland-Pfalz nun an ca. 50 Schulen. Das kann nur ein erster Schritt sein. Aufbauend auf dem Modellprojekt S4 sollten wir alle Schulen zu „starken Schulen“ machen, in der gemeinsam gelernt und Inklusion gelebt wird.

Lehrkräfte entlasten – Multiprofessionelle Teams aufbauen Lehrerinnen und Lehrer brauchen Zeit für individuelle Förderung und inklusiven Unterricht. Wir machen uns für eine spürbare Entlastung der Lehrkräfte stark, damit sie sich ihren Schülerinnen intensiv widmen können. So wollen wir die Lehrdeputate schrittweise senken und eine individuelle Vetretungsreserve aufbauen. Den Vertretungspool des Landes gilt es weiter auszubauen. Um temporären Unterrichtsausfall zu reduzieren, können durch die unmittelbare Auszahlung von
Mehrarbeit kurzfristige Vertretungen und Zusatzdienste attraktiver gemacht werden.
Wir wollen echte multiprofessionelle Teams aus Lehrerinnen und Lehrer, Förderlehrerinnen, pädagogischen Fach- und Integrationskräften, Schulsozialarbeit, Schulpsychologinnen und -gesundheitskräften etc an den Schulen auf- und ausbauen. Die Förderung der Schulsozialarbeit soll
auf alle Schulformen, auch die Gymnasien, ausgeweitet werden. Schulen sollen die Möglichkeit bekommen selbst SchulsozialarbeiterInnen einzustellen bzw Träger direkt zu beauftragen. Auch die
ergänzenden Sprach- und Förderprogramme wollen wir ausbauen und dafür sorgen, dass Förder- und Integrationskräfte nicht mehr „zweckentfremdet“ eingesetzt werden.

Autonomie der Schulen ausbauen – Schulleitungen stärken
Um vor Ort passgenaue Angebote machen zu können und flexibel auf Bedarfe reagieren zu können wollen wir den Schulen mehr Eigenverantwortung übertragen. Sie sollten eigene Budgets
bekommen auch um auch kurzfristige Personalbedarfe zu decken. Damit könnten Schulleitungen bspw Vertretungslehrkräfte oder Schulsozialarbeiterinnen einstellen. Die Arbeit der Schulleitungen wird ohnehin immer vielschichtiger. Auch sie brauchen dringend Erleichterungen. Mit einer Qualifikationsoffensive für Schulleiterinnen wollen wir sie insbesondere in den Bereichen Personal- und Organisationsmanagement unterstützen. Wir brauchen auch mehr Verwaltungsfachkräfte an Schulen, um die Schulleiter*innen zu entlasten.

Für echte Orientierungsstufen
Um gemeinsames Lernen länger zu ermöglichen, gilt es die Orientierungsstufen zu stärken, beispielsweise durch die schrittweise Absenkung der Klassenmesszahl in der Klassenstufe 5 und 6
auf 25. Wir wollen mehr Gemeinsame Orientierungsstufen verschiedener Schulformen und so dafür sorgen, dass Kinder auch in der 5. und 6. Klasse weiter gemeinsam beschult werden. So könnten z.B. kleine Realschulen plus und benachbarte Gymnasien Anreize zur Kooperation erhalten. Die
Empfehlungen für die Schullaufbahn sollten zukünftig erst nach Klasse 6 erfolgen. Auf diese Weise verschaffen wir Eltern und Kindern Zeit sich tatsächlich zu orientieren und versetzen sie in die Lage, eine wirklich passgenaue Entscheidung über die weitere Schullaufbahn zu treffen.

Längeres gemeinsam lernen ermöglichen: ganztags und inklusiv
Für gemeinsames Lernen und die Vereinbarkeit von Familien und Beruf sind Ganztagsschulen essentiell. Wir brauchen mehr rhythmisierter Ganztagsangebote an allen Schularten. Immer dann, wenn die entsprechenden Anmeldungen das hergeben, sollten an den Schulen Ganztagsklassen eingerichtet werden. Unser Ziel muss mindestens die Einrichtung schulischer Ganztagsangebote in allen Grundschulbezirken sein.
Zur Stärkung der Inklusion müssen Schwerpunktschulen mehr Ressourcen erhalten, auch aus dem Förderschulsystem. Die Ressourcen der Schulen mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ sollten in das inklusive Schulsystem integriert werden.
Die Schulentwicklungsplanung muss dazu gestärkt und sollte sich künftig an den Grundsätzen der Inklusion orientieren, so dass bei der Weiterentwicklung der kommunalen Schullandschaft das
ganztägige und gemeinsame Lernen immer mitbedacht wird. Dazu ist die Trägerschaft sämtlicher weiterführenden Schulen auf Kreisebene anzustreben.

Integrierte Schulen ausbauen – Elternwillen erfüllen
Die Anmeldezahlen der letzten Jahre zeigen, dass die Integrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz mehr Zulauf haben als Kapazitäten. Wir wollen das ändern und die Integrierten Gesamtschulen, dem Elternwillen entsprechend, im Land deutlich ausbauen. Realschulen plus sollten zukünftig nur noch integrativ arbeiten und die Möglichkeit erhalten, IGS zu werden.
Voraussetzung dabei ist die Anbindung an eine gymnasiale Oberstufe, damit auch das gesamte Leistungsspektrum abgedeckt werden kann. Möglich sind hierbei Oberstufenzentren mehrer Schulen oder Kooperationen mit Oberstufen benachbarter IGSen, (beruflicher) Gymnasien oder gemeinsame Oberstufen. Die Angebote der Oberstufen an Gymnasien, IGSen, FOSen, Beruflichen Gymnasien etc. sollen aufeinander abgestimmt und stärker vereinheitlicht werden. Optional können
Schulen mit Oberstufen wieder auf volle G9 gehen, wenn sie das wollen.

Auch Gymnasien brauchen Unterstützung bei der Inklusion
Gymnasien, die inklusiv arbeiten, sind Leuchttürme und unbedingt stark zu unterstützen. Auch die Gymnasien brauchen Unterstützung mit einer heterogenen Schüler*innenschaft. Zukünftig brauchen auch sie zusätzliche Ressourcen um in der Mittelstufe auch einzelne Schülerinnen und
Schüler gezielt in Richtung des Qualifizierten Sekundarabschlusses I fördern. Dazu sollten auch Planstellen für nichtgymnasiale Lehrämter (Realschule plus- und Förderlehrkräfte) an Gymnasien geschaffen werden. Dies wäre auch ein starkes Zeichen der Gleichwertigkeit akademischer und
beruflicher Bildung.

Lehrerinnenmangel bekämpfen: Reform der Lehrkräfteausbildung und A13 für Alle Die Ausbildung der Lehrkräfte muss für diese Herausforderungen reformiert und gestärkt werden. Alle Lehrkräfte sollten verstärkt auf den Umgang mit Heterogenität vorbereitet werden und dazu in inklusiver Pädagogik und zieldifferenziertem Unterricht ausgebildet sein. Daher streben wir ein Stufenlehramt an, in dem nicht mehr nach Schulformen unterschieden wird, sondern allein nach dem Alter der Schülerinnen, um der individuellen Förderung der Kinder besser gerecht zu werden.
Damit muss auch eine gleiche Bezahlung der Lehrkräfte einhergehen. Andere Länder machen es vor: A13 für Alle ist möglich. Sowohl die Arbeitsbelastungen als auch die Anfordeungen haben sich
im Laufe der Zeit stark angeglichen. Der Stellenwert früher Bildung ist deutlich gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist eine niedrigere Besoldung insbesondere der Grundschullehrer*innen nicht mehr zeitgemäß. A13 für Grundschullehrkräfte wäre auch ein wichtiger Beitrag gegen den
drohenden Fachkräftemangel und zur Schließung des „Gender-Pay-Gaps“.

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