Familien brauchen besondere Unterstützung in der Corona-Krise

Die Corona- Pandemie wirkt sich auf alle Bereiche der Gesellschaft aus. Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie müssen in einem Spannungsfeld zwischen notwendigem Gesundheitsschutz einerseits und dem Entgegenwirken massiver sozialer Verwerfungen andererseits abgewogen werden. Allen ist klar, dass die notwendigen umfassenden Einschränkungen der Grundfreiheiten und -rechte nicht ohne schwerwiegende soziale Folgen bleiben werden. Unsere Aufgabe ist es, diese Auswirkungen auf ein Mindestmaß zu begrenzen.

Die Corona-Krise trifft Familien mit Kindern hart

Insbesondere Familien mit Kindern sind von den Einschränkungen erheblich betroffen.

Wir wissen, wie schwer die Situation für Kinder, Familien und insbesondere Alleinerziehende gerade ist.

Durch die Schließung von Kindertagestätten und Schulen, aber auch den Wegfall der privat organisierten Betreuungsstrukturen, zum Beispiel durch Großeltern, stehen nun viele Eltern, insbesondere Frauen, vor der fast unlösbaren Aufgabe, Kinderbetreuung, Homeschooling, Hausarbeit und Erwerbsarbeit zu vereinbaren und den Tag zu strukturieren.

Auch die Kinder tragen eine große Last bei der Bewältigung der Pandemie: sie wurden aus ihrem sozialen Umfeld gerissen und von ihren Freundinnen und Freunden getrennt. Durch die Schließung von Spielplätzen, Museen, Sportplätzen und anderen Freizeit- und Kultureinrichtungen wurden den Familien mit Kindern zusätzlich Möglichkeiten genommen, sich außerhalb der eigenen vier Wände zu beschäftigen und abzulenken.

Für Kinder sind vor allem der Wegfall des Kontakts zu anderen Kindern sowie das Fehlen von pädagogischen Anregungen sehr problematisch. Hieraus entwickeln sich vor allem für Kinder Nachteile, deren Familien keine entsprechenden Angebote machen können und für die frühe Förderung besonders wichtig ist.

Zudem können fehlende Strukturen im Alltag und die kaum vorhandenen Ausweichmöglichkeiten das Konfliktpotential in der Familie erhöhen. Dies bringt für Familien ein hohes Belastungspotential mit sich und ist ein ernstzunehmendes Problem – nicht nur in gravierenden Fällen, in denen diese Situation zu Gewalt, Vernachlässigung und Misshandlung führt, sondern für alle Familien

Für uns gilt weiterhin: Gesundheits- und Infektionsschutz haben oberste Priorität. Deswegen ist es richtig, dass Kitas und die unteren Klassen der Grundschulen zum jetzigen Zeitpunkt für den Regelbetrieb geschlossen bleiben. Jüngere Kinder sind einfach zu gefährdet, Träger des Virus zu werden, weil sie altersbedingt die Hygiene- und Abstandsregeln nicht so diszipliniert einhalten können.

Allerdings ist es dringend notwendig, diese Schließungen mit weiteren Maßnahmen zu flankieren, damit die anhaltenden Belastungen für Familien mit Kindern abgefedert werden.

Familien mit Kindern dürfen mit ihren Bedürfnissen nicht übersehen werden!  

Die allermeisten Familien haben sich in den letzten Wochen sehr engagiert gezeigt, die Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung umzusetzen und sind nach wie vor bereit, große Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Doch mit zunehmender Dauer steigt der Druck und die Gefahr, dass auch die Kinder immer stärker unter der Situation leiden. Familien brauchen vor allem eine Perspektive, wie es weitergeht, die über der reinen Ankündigung, dass die Kitas geschlossen bleiben, hinausgeht.

Daher schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

Corona-Elterngeld

Die Betreuung von Kleinkindern und das Arbeiten im Home-Office schließen sich gegenseitig weitestgehend aus. Wenn Kleinkinder zu Hause betreut werden, muss es für Eltern die Möglichkeit geben, die Arbeitszeit zu reduzieren oder zu pausieren und dafür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Die neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (Paragraph 56, Absatz 1a) sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber mit Blick auf die zeitliche Dauer der momentanen Situation, die sich noch mehrere Monate hinziehen kann, nicht ausreichend.

Es braucht daher ein Corona-Elterngeld und Corona-Elternzeit inklusive vollständigen Kündigungsschutz: Es darf nicht passieren, dass Eltern, insbesondere Frauen, berufliche und finanzielle Nachteile erleiden, wenn sie ihre Kinder betreuen müssen. Ein Corona-Elterngeld sollte also klare finanzielle Anreize beinhalten, dass sich beide Elternteile die Sorgearbeit teilen.

Ausbau der Notbetreuung und Perspektive zur Wiedereröffnung der Kitas

Vordringlich ist der weitere Ausbau der Notbetreuung auf alle Kinder, die darauf angewiesen sind. Die Notbetreuung muss für Kinder sämtlicher arbeitender Eltern, aber auch Kinder mit besonderem Förderbedarf oder in schwierigen sozialen Situationen öffnen. So sollten Kinder, deren Schutz und Wohlergehen in der Familie nicht sichergestellt ist, auf Hinweis des Jugendamtes oder auf dringendes Anraten der Lehrkräfte oder Erzieher*Innen ebenfalls die Möglichkeit haben, an der Notbetreuung teilzunehmen. Hier müssen die Kommunen alle Handlungsspielräume, die das Land eröffnet, nutzen. In einem weiteren Schritt braucht es einen Plan, wie und wann es zur abgestuften Öffnungen der Kindertagesstätten kommen kann.

Auch Kitas brauchen Vorlaufzeit zur Wiedereröffnung. Wichtig ist auch, dass jede Öffnung nur in verkleinerten Gruppen stattfinden kann. Es gibt zwischen geschlossenen Kitas und geöffneten Kitas viele Möglichkeiten, mit denen die Vereinsamung und Vereinzelung von besonders betroffenen Kindern und Jugendlichen verhindert und Chancengleichheit einigermaßen gewahrt werden kann.

Kontakte zu ErzieherInnen und LehrerInnen ermöglichen

Gerade bei Kindern aus armen, bildungsfernen oder sozial benachteiligten Familien spielt die Beziehung zur Erzieher*in oder Lehrkraft eine besondere Rolle. Ein- bis zweimal pro Woche sollen die Erzieher*innen beziehungsweise Lehrkräfte mit den Kindern daher aktiv miteinander kommunizieren, nach Möglichkeit auch ohne Anwesenheit der Eltern im gleichen Raum. Dafür sollten alle Wege genutzt werden, die den regelmäßigen Kontakt fördern. Das kann die aufsuchende Betreuung, die telefonische oder digitale Kommunikation oder die Öffnung von Lern- bzw. Begegnungsräumen zu bestimmten Zeiten in der Kita oder der Schule sein.

Lehrkräfte und Erzieher*innen sollen mit den Kindern und Jugendlichen regelmäßig Kontakt aufnehmen. Das geht auf unterschiedliche Weise, u.a. auch digital oder telefonisch. Erzieher*innen, Integrationshelfer*innen, Schulsozialarbeiter*innen und Lehrkräfte sollten bei Fragen und Problemen, für die Kinder und die Eltern tagsüber zu festen Zeiten gut erreichbar sein.

Soziale Teilhabe ermöglichen

Da im Moment für viele Kinder warme Mittagessen und andere Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket wegfallen, wollen wir vor Ort Möglichkeiten eröffnen, die lokale Gastronomie zu fördern und gleichzeitig ein gesundes warmes Mittagessen Kindern aus einkommensschwachen Familien zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus fordern wir vom Bund einen Krisen-Zuschlag in der Grundsicherung für die Zeit, in der Schulen und Kitas geschlossen sind, in Höhe von 60 € für alle Kinder, die Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben.

Beratungsangebote und aufsuchende Sozialarbeit

Familienpolitik und Jugendhilfe heißt aber bei Weitem nicht nur Kitas. Das Familienministerium hat dafür gesorgt, dass die 60 Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in Rheinland-Pfalz in Zeiten der Corona-Pandemie kostenfrei alternative Beratungsformen, wie Telefon- und Onlineberatung anbieten. Damit wird vielen Familien weiterhin schnell und unbürokratisch geholfen.

Neben Lehrkräften sollten auch die Jugend- und Sozialarbeit verstärkt aufsuchende Angebote machen. Die Jugendhilfe muss vor Ort besser auf die Situation abgestimmt werden. Das Familienministerium und das Landesjugendamt haben hier entsprechende Vorgaben angestoßen.

Möglichkeiten für „CareShare“ in Betreuungsgemeinschaften eröffnen

Solange die Kinderbetreuung stark eingeschränkt ist, sollten feste Betreuungsgemeinschaften zwischen zwei oder drei festen Familien die Möglichkeit bieten dürfen, die soziale Isolation von Kindern aufzubrechen, Freundschaften wieder aufleben zu lassen und Eltern zu entlasten und dabei dennoch die Maßgaben des Infektionsschutzes einzuhalten. Voraussetzung hierfür ist, dass alle Beteiligten soweit wie möglich keine Kontakte außerhalb des Netzwerkes pflegen.

Spielangebote im Freien schaffen: perspektivische Öffnung der Spielplätze und strengen Regeln

Kinder brauchen Raum zum Toben und Spielen im Freien. Besonders Kinder, die keinen Garten nutzen können, leiden gerade besonders. Daher soll geprüft werden, wo Kinder unter Aufsicht und mit Einhaltung von Abstandsregeln wieder Angebote im Freien besuchen können. Wir können uns vorstellen, die Spielplätze unter Einhaltung strenger Regeln wieder zu öffnen. Voraussetzungen dafür sind aus unserer Sicht die Beschränkung einer maximalen Personenzahl und deren Kontrolle sowie die Einhaltung von Mindestabständen und Hygieneregeln beim Bespielen der Plätze. Hier sind kreative Lösungen in den Kommunen vor Ort gefragt. Spielzeiten könnten beispielsweise im Voraus über das Internet gebucht werden, oder die Kommunen könnten zur Zeit nicht benötigtes Personal, wie Erzieher*innen zur Spielplatzaufsicht einsetzen.

Gerade in den Städten ist der Platz für Kinder zum Toben und Spielen im Freien sehr begrenzt, in den Grünanlagen und auf den Plätzen kann es daher schnell zu Ballungen kommen. Gleichzeitig hat der Verkehr deutlich abgenommen. Wir schlagen vor, einzelne Straßen für den Verkehr und das Parken zu sperren und zu „Spielstraßen“ umzuwidmen.

Mobile Spielangebote (Spielmobil Rolli etc.) sollten als Komm-Struktur in die Stadtviertel und Dörfer fahren und den Kindern mobile Spielangebote (im Freien) zu festen Uhrzeiten unter Aufsicht machen (bei Beschränkung der Kinderzahl und strengen Hygieneauflagen), so können Eltern ihre Kinder mal für 2 Stunden dort hingeben um eine Erholungspause zu haben.

Sollte im Frühsommer eine weitere Normalisierung möglich sein, ist zu überlegen, wie man möglichst viele Ferien- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche strukturiert. Ist es vom Infektionsgeschehen her zu verantworten, entsprechende Freizeiten für Kleingruppen zu organisieren, könnten dadurch auch Tätigkeitsmöglichkeiten für Mitarbeitende in Sportvereinen, für Kulturschaffende und Dozent*innen, die derzeit ebenfalls mit enormen Einnahmeausfällen zu kämpfen haben, geschaffen werden.

Verfasserinnen und Verfasser: Anne Spiegel (Frauen- und Familienministerin), Katharina Binz (MdL, gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion), Daniel Köbler (MdL, sozial- und familienpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion), Jutta Blatzheim-Roegler (MdL, frauenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion)

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