Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 63. Sitzung, 22. Januar 2014

Präsident Mertes:

 

[…]

 

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

 

AKTUELLE STUNDE

„Eine neue Willkommenskultur – Das rheinlandpfälzische

Integrationskonzept als Chance für

Gesellschaft und Wirtschaft umsetzen“

auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

– Drucksache 16/3207 –

 

Wie bei jedem Thema, stehen in der ersten Runde 5 Minuten Redezeit und in der zweiten 2 Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich erteile Herrn Köbler das Wort.

 

Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

 

Rheinland-Pfalz steht für eine offene Gesellschaft, für eine Willkommenskultur für jeden Menschen. Uns ist jeder Mensch gleich viel wert. Dafür steht das Land. Dafür steht die Koalition. Dafür stehen Integrationsministerin Irene Alt und die gesamte Landesregierung.

 

 

Wir haben in diesen Tagen den Carl-Zuckmayer-Preis überreicht. Dabei fällt einem ein, dass Carl Zuckmayer die Stadt Mainz schon damals als die „Völkermühle am Rhein“ bezeichnet hat. Das heißt, wir haben es mit Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft nicht erst in diesen Tagen zu tun, sondern gerade in dieser Region schon seit vielen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Warum machen wir diese Aktuelle Stunde? Diese Aktuelle Stunde machen wir deswegen, weil wir seit einigen Tagen eine politische Debatte im Land haben, die im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahl angezettelt worden ist. Von dort schwappt zu uns nach Rheinland- Pfalz eine Stimmungsmache herüber, die deutlich macht, dass diese Willkommenskultur, diese offene Gesellschaft im Herzen Europas keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas ist, was wir immer wieder verteidigen und wofür wir immer wieder argumentieren müssen.  Dabei ist eine offene Gesellschaft, eine Willkommenskultur auf der einen Seite eine humane Frage, eine Frage des Zusammenhalts in der Gesellschaft, aber auf der anderen Seite – das hat die heutige Reaktion deutlich gemacht – ein knallharter ökonomischer Faktor.  Das bedeutet, es ist unsere humanitäre, soziale und heutzutage auch ökonomische Verantwortung, für eine Willkommenskultur zu streiten, so wie es diese Landesregierung und die sie tragende Koalition in Rheinland-Pfalz tut, meine Damen und Herren.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

 

Es ist bemerkenswert – das geschieht nicht jeden Tag –, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eine Erklärung am gestrigen Tage abgegeben hat. In der heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Wir sehen „in der Förderung einer Willkommenskultur für qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt einen entscheidenden Faktor für mehr wirtschaftliche Dynamik und Beschäftigungsmöglichkeiten für alle Menschen in Deutschland.

Ein solcher Kulturwandel muss in verbesserten Rahmenbedingungen für die Zuwanderung und die ökonomische und gesellschaftliche Partizipation der Zugewanderten zum Ausdruck kommen. Hier sind Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen gefragt.“

 

Da ist diese Landesregierung in Vorleistung getreten, jüngst mit der Vorlage des neuen Integrationskonzeptes, mit der Querschnittsaufgabe beispielsweise durch das Landesgesetz zur einfacheren Anerkennung von Berufsqualifikationen,  das Frau Ministerin Lemke vorgelegt hat. Dazu gehören der Ovale Tisch zur Ausbildungs- und Fachkräftesicherung der Ministerpräsidentin und die Fachkräftestrategie, die die Landesregierung als Querschnittsaufgabe entwickelt. Das ist das Gegenkonzept zu dem Populismus, der aus der bayerischen Union kommt.

 

Wenn ich darf, möchte ich das an einem Zitat belegen:

„Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Um Mehrfacheinreisen zu verhindern, sollte man darüber nachdenken, Fingerabdrücke zu nehmen.“, so der Spitzenkandidat der Union für die Europawahl Brok in der „Bild-Zeitung“.  Ich finde, dass wir das den Menschen, die zu uns kommen,  nicht antun dürfen, dass solche Aussagen eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind.  Aber sie sind auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für Rheinland-Pfalz. Deswegen sollten wir solche Aussagen in aller Schärfe zurückweisen, meine Damen und Herren.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

 

Wenn man weiß, dass 1.400 Unternehmen aus osteuropäischen Ländern in Bayern Umsätze tätigen und für Wirtschaftskraft sorgen, dass gerade in Bayern rumänische und bulgarische Facharbeiter, Ingenieure und Ärzte ansässig sind und bei den Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien die Arbeitslosenquote um 7,4 % geringer ist als bei anderen Menschen mit ausländischem Pass, dann ist das nichts anderes als stupider Stammtischpopulismus im Vorfeld von Wahlen und hat relativ wenig mit der gesellschaftlichen Realität in Deutschland zu tun.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

 

Natürlich ist es Aufgabe von Bund und Ländern,

 

(Glocke des Präsidenten)

 

die Kommunen nicht alleine zu lassen. Wir dürfen nicht dafür sorgen, dass diese Hetze Fuß fasst und am Ende die Falschen gewinnen. Das kann auch nicht im Sinne der Konservativen sein.

 

Herzlichen Dank.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

 

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