Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 58. Sitzung, 6. November 2013
Präsident Mertes:
Herr Köbler, Sie haben das Wort.
(Baldauf, CDU: Darf der Nils gar nicht?)
Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Asyl für Snowden – das ist nicht von mir, das ist der Titel des aktuellen „SPIEGEL“. Wie ist es denn dazu gekommen?
Dazu gekommen ist es, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich ein massives Problem mit der Erfüllung der Grundrechte auf Datenschutz haben. Da gibt es das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das in Frage gestellt ist. Es sind die Rechte der EU und die UN-Grundrechtecharta, was das Recht auf Privatleben und ungestörte Kommunikation angeht, und da sind natürlich auch die Eigentumsrechte von Unternehmen, speziell auch ihre Patente und Ideen, in Gefahr.
„Tempora“, „PRISM“, „XKeyscore“, „Muscular“, all das, was wir da hören, ist nichts anderes als ein Angriff auf die Bürgerinnen und Bürger, auf die Unternehmen, auf unsere Grundrechte und letztlich auch, wenn sich Dinge bewahrheiten, auf den Kern unserer freiheitlichdemokratischen Verfassung, meine Damen und Herren. Deswegen ist es gut, dass wir heute darüber reden, auch darüber, welche Konsequenzen wir hier für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch für unsere Unternehmen in Rheinland-Pfalz ziehen.
Wir haben aber auch eine Vorgeschichte. Herr Snowden hat seit Mitte des Jahres seine Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dann hat Anfang August Kanzleramtschef Pofalla von der CDU im Bundestagswahlkampf die NSA-Abhöraffäre für beendet erklärt. Die Kanzlerin hat im ZDF-Sommerinterview gesagt: Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die Fragen, die aufgeworfen sind, geklärt wurden. – Ja, zu dieser Zeit ging es auch nur um das Abhören von Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmen, meine Damen und Herren.
Das ist der amtierenden CDU-Bundesvorsitzenden und geschäftsführenden Bundeskanzlerin offensichtlich egal. Für sie war das abgehakt. Für sie kam das erst wieder auf die Agenda, als sie gehört hat, dass sie persönlich abgehört wird. Das ist eine Verantwortung, Frau Klöckner, der sich die Christdemokraten gegenüber den Bürgern, aber auch gegenüber den Unternehmen und unserem Land stellen müssen. Sie haben mehr als die Verantwortung nur für die Bundesregierung. Sie haben auch die Verantwortung für den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in Rheinland-Pfalz und in Deutschland, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Das war der 24. Oktober. Es ist schon bezeichnend, dass Sie von der ganzen Diskussion überhaupt nichts gelernt haben. Morgen haben Sie als Mündliche Anfrage nur das angefragt, was die Landesregierung gegen Spionage tut.
(Zurufe von der CDU)
Wo sind Ihre Initiativen für Datenschutz für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen? Die haben Sie immer alle blockiert, ob es bei der Vorratsdatenspeicherung oder bei vielen andere Dingen war. Die Tatsache, dass die Daten der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in diesem Land nicht geschützt sind, ist nicht nur ein Problem, das wir auf internationaler Ebene mit Geheimdiensten haben, sondern es ist auch ein Grundversagen der CDU-geführten Bundesregierung der letzten Jahre, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)
Die Sternstunde der Demokratie: Hans-Christian Ströbele fährt nach Moskau.
(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)
Es ist eine Sternstunde des Parlamentarismus, dass ein direkt gewählter Abgeordneter aus Friedrichshain-Kreuzberg das tut, was die Bundesregierung im August für beendet erklärt hat, nämlich die Fragen mit dem zu klären, der sie beantworten kann, meine Damen und Herren.
(Zurufe von der CDU)
Das, was die NSA in Deutschland tut, selbst wenn es sich bewahrheitet, ist verfassungswidrig und bedarf der umfassenden Aufklärung, und zwar nicht nur des parlamentarischen Kontrollteams der Bundesregierung, sondern eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages.
Wenn Herr Snowden Bedenken äußert, in Moskau verhört zu werden, weil er dann eventuell nicht umfänglich die Informationen geben kann, dann bin ich der Auffassung, dass die Möglichkeit geschaffen werden muss, dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag die Möglichkeit erhalten, Edward Snowden auch in der Bundesrepublik Deutschland zu verhören.
(Licht, CDU: Wie naiv sind Sie! –
Weitere Zurufe von der CDU)
Da gibt es Möglichkeiten nach Recht und Gesetz.
(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)
– Frau Klöckner, § 22 Aufenthaltsgesetz und § 23 Aufenthaltsgesetz sind zu nennen. Ich will, dass es endlich zu Klarheit in diesen Fragen kommt, und zwar im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Unternehmen und der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.
(Glocke des Präsidenten)
Das soll auch im Sinne der deutsch-amerikanischen Freundschaft erfolgen.
Herzlichen Dank.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
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