Neutrale Ermittlung muss möglich sein

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Für die Mütter und Väter des Grundgesetzes war dieses Prinzip so wesentlich, ja konstituierend für die Demokratie, dass sie diesen Paragraph 20 mit der Ewigkeitsgarantie ausgestattet haben. Nun ist es mit dem Alltag von jahrzehntealten Prinzipien der Verfassung so eine Sache. Dieter Hildebrandt hat gescherzt: „Natürlich geht die Staatsgewalt vom Volke aus – aber wo geht sie hin?“ Die Worte der Verfassung bleiben Buchstaben, wenn sie nicht in der Wirklichkeit der Menschen gelebt werden. Und diese Wirklichkeit verändert sich mit der Zeit. Daher ist die Politik in der Pflicht die Umsetzung der Verfassungsprinzipien immer wieder zu prüfen, kritisch zu hinterfragen und zu verbessern.

Dafür wird sie vom Volk kontrolliert und gewählt – oder eben nicht.

Dies muss aber auch für die Staatsgewalt, die von der Ebene der Exekutive ausgeübt wird gelten – also auch für die Polizei. Wenn sich auf einer Demonstration oder einem anderen Einsatz eine Polizistin oder ein Polizist so verhält, dass es zu Recht und Verfassung in Widerspruch steht, dann muss das natürlich nachvollziehbar sein und sich der Betreffende persönlich dafür verantworten. In einer rechtstaatlichen Demokratie ist die Polizei – jede Polizistin und jeder Polizist, an das Recht gebunden. Wie kann man wollen, dass es nicht überprüfbar ist, ob er oder sie es auch einhält?

Die rheinland-pfälzische Polizei hat – zu Recht! – einen vergleichsweise guten Ruf. Wir wollen, dass dies so bleibt – auch nach der Attacke von Westerburg. Deswegen hat Rot-GRÜN bereits 2011 in den Koalitionsvertrag geschrieben einen Beauftragten für die Polizei sowie eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzuführen. Damals uinter dem Eindruck massiver Polizeigewalt bei den Stuttgart 21-Demonstrationen. Derzeit setzt die Koalition diese Ankündigung um. Der Beauftragte für die Polizei ist eine kostenneutral zu schaffende Institution. Ihr Hauptgedanke leuchtet ein: Wer unter Polizeigewalt gelitten hat, wird dafür zurückscheuen, zur Polizei zu gehen, um dies anzumelden. Eine neutrale Stelle ist daher notwendig. Diese muss natürlich alle Rechte und Möglichkeiten erhalten, um einen solchen Vorfall auch prüfen zu können. Von dem Beauftragten profitieren die Polizistinnen natürlich auch selbst. Zum einen können Vorwürfe sachlich geklärt werden und stehen Ermittlungsergebnisse nicht unter dem Pauschalverdacht, irgendein Korpsgeist habe sie so gestaltet, wie sie geworden sind. Zum anderen sollen PolizistInnen selbst die Möglichkeit bekommen sich bei Beschwerden an den unabhängigen Beauftragten zu wenden, wenn sie ein Fehlverhalten innerhalb der Polizei erkennen.

Die Kennzeichnungspflicht befreit Polizistinnen und Polizisten von der Gefahr des Generalverdachts. Wenn auf einem Einsatz Einzelne sich Verstöße zu Schulden haben kommen lassen, dann wird nicht „die Polizei“ pauschal angegriffen und öffentlich verurteilt. Stattdessen kann der Einzelfall als solcher behandelt und exakt geklärt werden. Auch hier stellt sich die Frage, wie man gegen das Nachvollziehen von Verfehlungen sein kann.

Kein Polizist soll dabei privat erkennbar werden. Die Einsatzkräfte sollen gerade nicht namentlich gekennzeichnet werden. Natürlich schützen wir die Persönlichkeitsrechte von Polizistinnen und Polizisten und bringen sie nicht in die Gefahr von Rache-Aktionen. Statt des Namens werden die Einsatzkräfte einen Nummerncode tragen. Wie dieser aussieht soll gemeinsam mit den PolizistInnen – als die ExpertInnen der Praxis –entwickelt werden. Man wird, davon bin ich fest überzeugt, eine Lösung finden.

Die Konservativen entdecken dies für ihre Demagogie – wie üblich an jedem Sachargument vorbei. Schlagzeile schlägt Sachargument.

Zu eindeutig sprechen für die CDU wohl die Sachargumente zugunsten von Rot-Grün. Die CDU betreibt in Rheinland-Pfalz Totalopposition. An der Sache ist sie nicht interessiert. Sonst käme sie in Sachen Beauftragter für die Polizei und Erkennungspflicht zu anderen Ergebnissen. Wie etwa die Parteifreunde der CDU in Brandenburg. Dort hat das Land bereits 2011 eine Erkennungspflicht eingeführt. Negative Erfahrungen gibt es bisher keine damit. Die Einführung der Erkennungspflicht ging übrigens dort zurück auf einen Antrag der CDU.

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