Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 51. Sitzung, 06. Juni 2013
Vizepräsident Schnabel:
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Köbler das Wort.
Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Lieber Herr Baldauf, ich will als Kommunalpolitiker nicht, dass man Aufträge vergibt und Sub-, Sub- und Subunternehmer Menschen mit Steuermitteln zu Dumpinglöhnen beschäftigen. Das möchte ich ausschließen. Sie wollen es nicht ausschließen. Ich will es ausschließen, weil dafür unsere Steuergelder zu schade und unsere soziale Verantwortung zu hoch ist.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –
Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)
Herr Baldauf, eines müssen Sie noch auflösen. Sie haben gesagt, dass wir unsere Beamtinnen und Beamten zu schlecht bezahlen würden. Sie hatten allerdings heute Morgen in der Debatte über die Vertretungslehrkräfte gesagt, dass es den Vertretungslehrkräften gegenüber ungerecht wäre, wie gut ihre verbeamteten Kolleginnen und Kollegen bezahlt werden. Sie müssen sich jetzt einmal in eine Richtung entscheiden, sonst verstehe ich es einfach nicht.
(Dr. Weiland, CDU: Sie beleidigen Ihre eigene Intelligenz!)
Meine Damen und Herren, wenn man den sozialökologischen Wandel vorantreiben will, dann ist es selbstverständlich, dass sich die öffentliche Hand in Rheinland-Pfalz auch in ihrem Vergabewesen und in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit an sozialen und ökologischen Standards messen lässt.
(Beifall der Abg. Frau Mohr, SPD)
Dazu ist ein Bündel von Maßnahmen auf dem Weg oder noch unterwegs. Ich will auch einmal die Novelle der Vergabeverordnung nennen, in der wir die Dinge in Bereichen der Nachhaltigkeit und der ökologischen Standards weiterentwickeln. Ich sage es nicht ganz ohne Stolz. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen, dass die Landeshauptstadt Mainz offiziell den Titel „Fairtrade Town“ erhalten hat.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Beim Landestariftreuegesetz geht es nun einmal um die sozialen Standards, denen wir uns zu stellen haben. Dass dort Handlungsbedarf besteht, haben wir schon oft besprochen. Die CDU-Fraktion hat es selten verstanden. Aber vielleicht doch noch ein paar wenige Zahlen. Knapp 7 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten für einen Stundenlohn von unter 8,50 Euro. Leiharbeiter verdienen im Durchschnitt 48 % weniger als normale Arbeitnehmer. Selbst dort, wo es die von Ihnen so hochgelobten branchenspezifischen Mindestlöhne gibt, möchte ich Ihnen eine Zahl nennen, nämlich dass im Jahr 2012 26.775 Arbeitgeber im Bauhaupt- und Baunebengewerbe wegen Verstoßes insbesondere gegen die Vereinbarung beim Mindestlohn kontrolliert worden sind. Es sind dort Bußgelder in Höhe von fast 12 Millionen Euro ausgesprochen worden. Im Niedriglohnbereich arbeiten in Deutschland 22 % der Erwerbstätigen. Zum Vergleich, in Frankreich sind es nur 6 %. Im so krisengebeutelten Spanien sind es auch nur 14,7 %. Sie sehen, wir haben einen sozialen Auftrag. Wir haben einen sozialen Vorbildcharakter, wenn wir uns als öffentliche Hand und damit auch die Kommunen an entsprechende soziale Standards binden. Insofern ist das Landestariftreuegesetz
Rheinland-Pfalz – ich kann das relativ objektiv sagen; da waren wir noch gar nicht in der Regierung dabei – ein Erfolgsmodell.
Herr Baldauf, das zeigt, dass viele Bundesländer viele Elemente in ihre Tariftreuegesetze übernommen haben. Deswegen sind wir in Rheinland-Pfalz vorbildlich, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Dann ist natürlich alles, was man einmal auf den Weg gebracht hat, nie so gut, dass man es nicht noch besser machen und der Zeit anpassen kann. Eben weil die Mindestentgeltkommission jüngst den Mindestlohn von 8,50 Euro auf 8,70 Euro angehoben hat, ist es augenscheinlich geworden, dass wir das Problem haben, dass wir keine Rechtssicherheit für mehrjährig wirkende Vergabeverfahren auf der kommunalen Ebene haben. Wir wollen jetzt dem Landesgesetzgeber per Rechtsverordnung die Möglichkeit geben, das verbindlich für bestehende Aufträge festzusetzen, und wir wollen klarmachen, dass man nicht durch Subsubsubunternehmertum die Mindestlohnstandards aushebeln kann. Ich halte dies für wichtig.
Herr Baldauf, Sie haben gegen dieses Tariftreuegesetz polemisiert. Ich glaube, Sie sind in den eigenen Reihen ziemlich isoliert. Das Saarland ist CDU-regiert. Bayern ist CSU-regiert. Niedersachsen war bis vor Kurzem auch noch CDU-regiert. Sie alle haben Tariftreuegesetze.
(Baldauf, CDU: Aber andere Regeln!)
Sie alle haben viele Elemente, die wir in Rheinland-Pfalz auch haben. Deswegen kann es gar nicht so schlecht sein. Wir werden eine Anhörung durchführen.
(Glocke des Präsidenten)
Vielleicht hören Sie am Ende des Tages bei den Kollegen im Saarland nach – angeblich treffen Sie sich so häufig –, dann sind Sie auch wieder in der Mitte der sozialpolitischen Positionen der CDU und können vielleicht doch noch zustimmen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Verwandte Artikel
Nachhaltige Konsolidierung wichtig
30. Juli 2024
Bezugnehmend auf die Nachricht der Ablehnung des Nachtragshaushaltes 2024 durch die ADD erklärt Daniel Köbler,
…
GRÜNE wählen Fraktionsvorstand
1. Juli 2024
In ihrer Fraktionsklausur am vergangenen Sonntag hat die neugewählte Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Fraktionsvorstand gewählt.
…
Teilhabe und Beiräte für Senior*innen
Meine Rede zur Teilhabe und Beiräten für Senior*innen im Rahmen der 63. Plenardebatte im Landtag Rheinland-Pfalz am 14. März 2024.
…