Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 48. Sitzung, 24. April 2013

 

Vizepräsident Dr. Braun:
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr

Abgeordneter Köbler das Wort.

Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste!
Es geht nicht um irgendetwas, es geht um die Änderung unserer Landesverfassung. Deswegen lassen Sie mich mit der Erlaubnis des Präsidenten mit einem Zitat von Max Frisch beginnen.

 

Ich zitiere Max Frisch zur Demokratie: „Die Würde des Menschen besteht in der Wahl.“

Das drückt es doch eigentlich aus. Es geht darum, dass sich der elementare Verfassungsgrundsatz, Artikel 1 Grundgesetz, die Würde des Menschen, der Mensch in seiner Rolle als Staatsbürger in der Demokratie, zu dem Recht der Wahl und zu dem Recht der Teilnahme an Wahlen verdichtet.
Frau Klöckner, deshalb geht es hier darum, den Menschen ein Recht zu geben und das vorbehaltlos; denn in einem Punkt haben Sie vollkommen recht: Wir müssen politische Bildung, wo immer wir das können, stärken, ob in Schulen oder in außerschulischen Lernorten. Aber Sie bewegen sich in einer ganz gefährlichen Argumentation. Wenn Sie das Maß an politischer Bildung zur Bedingung machen, um ein elementares Recht in der Demokratie, wie das Wahlrecht, ausnutzen zu können, dann sind Sie kurz davor, die Wahlbefähigung überprüfen zu wollen. Dann müssen Sie auch erklären, warum Sie das von 16-Jährigen, aber von 25-Jährigen nicht abverlangen, Frau Klöckner. Das wird es mit uns nicht geben.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –

Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)
Weil Sie hier eingeworfen haben, dass die Politikverdrossenheit ein Grund sein könnte, möchte ich Ihnen auch hier widersprechen. Demokratie ist nichts, was vom Himmel gefallen ist. Demokratie und demokratische Rechte sind über Generationen, Jahrzehnte und Jahrhunderte immer erkämpft worden, und zwar in aller Regel von unterdrückten Minderheiten gegen herrschende Mehrheiten.
(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)
An dieser Stelle vielleicht ein etwas aktuelleres Zitat, wenn ich darf: „Wenn Du Dich nicht um mich kümmerst, dann verlasse ich Dich… Deine Demokratie.“

 

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)
Er hat nicht immer so gut gesprochen, aber an der Stelle muss ich Peer Steinbrück außerordentlich recht geben.

 

(Frau Klöckner, CDU: An der Stelle!)
Es geht auch darum, Jugendliche zu begeistern, zu überzeugen und zu gewinnen. Wir machen diese Initiative auch, damit sich die Politik, damit wir uns als Fraktionen und Parteien, mehr um die jungen Menschen kümmern müssen; denn sie sind allzu oft hintendran, wenn es darum geht, ihre Adressen zu artikulieren. Es wird mit dem demografischen Wandel nicht einfacher.

 

Wir trauen es diesen Jugendlichen zu. Wir sagen, wir wollen uns euch und euren Interessen stellen, und das dort, wo es für uns immer darauf ankommt: an dem Tag der Wahlen. Deshalb wollen wir hier, auch als regierende Fraktionen, mehr Rechte an die Bürgerinnen und Bürger und in dem Fall an die Jugendlichen zurückgeben, weil wir glauben, dass es ein Fortschritt für mehr Bürgerbeteiligung und mehr Demokratie ist, meine Damen und Herren.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –

Zuruf des Abg. Billen, CDU)

 

Ihre Argumente, die Sie dagegen aufführen, sind alles wichtige Fragen, aber sie haben mit dem Kern der Sache nichts, aber auch gar nichts zu tun. Lassen Sie uns gemeinsam den ersten Schritt gehen. Erwarten Sie hier nicht die Revolution. Die hätten wir auch beantragen können. Wir gehen mit dem Wahlrecht auf 16 Jahre, weil es andere Bundesländer bereits getan und damit gute Erfahrungen haben. Sie haben keinen Alternativvorschlag: mit 14, 17 oder irgendein anderes Alter. Darüber hätten wir reden können.
(Zurufe von der CDU)
Aktiv und passiv werden in einem ersten Schritt nach unseren Vorstellungen auseinanderfallen, wie es auch bei Bürgermeisterwahlen und bei der Wahl zum deutschen Bundespräsidenten heute schon der Fall ist. Schritt für Schritt, das gibt es alles schon. Wir beginnen mit der Kommunalwahl, Schritt für Schritt, und die Landtags- und Bundestagswahl werden folgen. Also bauen Sie nicht den Popanz auf, als würden Sie zustimmen, wenn wir auch das passive Wahlrecht für 16-Jährige und es auch gleich bei Landes- und Bundestagswahlen einführen wollten.

 

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)
Das haben Sie in der Debatte nicht vorgeschlagen. Es sind Scheinargumente, nicht mehr und auch nicht weniger, meine Damen und Herren.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –

Pörksen, SPD: Sehr richtig!)
Wir werden morgen auf Sie zugehen und Ihren Vorschlag, beim Stichwort „Parität“ Artikel 3 aus dem Grundgesetz abzudrucken, übernehmen. Dann werden wir sehen: Geht es Ihnen um eine Blockadehaltung oder

um konstruktive Gestaltung. Die 16-Jährigen von heute werden alle bei der nächsten Landtagswahl wählen. Dann müssen Sie das jedem Einzelnen erklären. Wir werden das morgen namentlich abstimmen.

 

(Zurufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, liebe CDU, lassen Sie mich mit einem Zitat, wenn ich darf, von Rita Süssmuth schließen: „Demokratie bedeutet auch, sich selbst kritisch zu sehen.“ Sie haben noch 24 Stunden Zeit.

Herzlichen Dank.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

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