Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 45. Sitzung, 07. März 2013

Vizepräsident Dr. Braun:

Ich erteile Herrn Abgeordneten Köbler das Wort.
(Zurufe von der CDU)
– Ich darf erneut darauf hinweisen, dass die Diskussion im Landtag über den Redner zu erfolgen hat.

 

(Zuruf von der CDU: Der macht ja nichts!)


Abg. Köbler,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Baldauf, geben Sie acht.

Herr Kessel, das war schon bemerkenswert.
(Beifall bei der CDU)
In der ersten Hälfte Ihres Beitrages wollte ich Sie zu Ihrem neuen Amt als CDA-Vorsitzender beglückwünschen und Sie dabei unterstützen, dass Sie Ihre Positionen in der CDU und das, was Sie zur Gleichbehandlung von Leiharbeitern gesagt haben, mehrheitsfähig machen. Es ist ein Skandal, was bei Globus gemacht wird. Das könnten wir gesetzlich unterbinden. Ihre Bundesregierung muss endlich aufhören, das zu blockieren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Als Sie beim Mindestlohn angesetzt haben, habe ich gedacht, aha, einer hat es verstanden, und Sie könnten endlich Ihre Landesvorsitzende auf eine Position festnageln, die sich bei dem Thema öfters ändert als das Wetter im April.
(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)
In der zweiten Hälfte haben Sie dann etwas ganz anderes gesagt, und zwar komplett das Gegenteil. Sie haben die Position des CDU-Bundesverbandes verteidigt. Mir ist aufgefallen, dass Sie das abgelesen haben. Das war die Sprachregelung, die Sie abgelesen haben.

(Frau Klöckner, CDU: Was eure Leute ablesen, da machen wir mal eine Rechnung auf! –

Weitere Zurufe von der CDU)
Ich sehe es Ihnen nach. Kämpfen Sie weiter. Es ist bedauerlich, dass die CDU nicht auf Leute wie

Herrn Kessel und Herrn Billen in dieser Frage hören
(Bracht, CDU: Bleiben Sie bei der Sache!)
und sich endlich zu einem einheitlichen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in der Bundesrepublik Deutschland durchringt.
(Frau Klöckner, CDU: Es wäre besser, Sie würden vom Zettel ablesen, ehrlich!)
Das, was Sie auf Bundesebene vertreten, ist das Gegenteil davon. Wenn man sich den hervorragenden Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz – vielen Dank an den Sozialminister, Herrn Schweitzer – anschaut, dann ist es nicht ein politisch festgelegter Lohn, sondern es ist eine gesetzliche Grundlage, auf der eine Kommission, bestehend aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern, einen entsprechenden Vorschlag für einen Mindestlohn, der mindestens 8,50 Euro die Stunde betragen soll, macht.
(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)
Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie hier populistischerweise behaupten. Stattdessen geben Sie ein Placebo mit Ihren sogenannten Lohnuntergrenzen vor. Wir müssen einmal überlegen, wovon wir hier reden. Wir reden in Deutschland von Stundenlöhnen von 3,80 Euro bei der Friseurin in Thüringen.
(Pörksen, SPD: Das ist eine Lohnuntergrenze!)
3,80 Euro in der Stunde in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013 ist ein Skandal. Der gehört beendet. Das, was Sie vorschlagen, schützt eben nicht davor. Es gibt keinen Schutz gegen Niedriglöhne. Beschäftigte, die jetzt in einem Tarifvertrag sind wie beim Wach- und Schließgewerbe, bekommen dann nur 6,80 Euro dieStunde. Wir haben keinen Schutz für die Geringverdiener. Das sind 1 Million Beschäftigte, die trotz Tarifvertrag weiterhin unter 8,50 Euro die Stunde verdienen würden. Es ist eine offene Tür für die Scheingewerkschaften, wenn ihr Vorschlag zur Entfaltung kommt, die mit entsprechenden Gefälligkeitstarifverträgen Lohndumping

betreiben würden.

(Pörksen, SPD: Genauso ist das!)
Wir würden weiterhin den Spalt zwischen Ost und West in Deutschland verschärfen, weil die Diskrepanz zwischen dem Tariflohn bei der Friseurin in Thüringen bei 3,82 Euro gegenüber der Friseurin in Niedersachsen bei 7,75 Euro liegt. Ich will, dass die Einheit endlich auch auf dem Arbeitsmarkt Realität wird. Die Partei des Kanzlers der Einheit sollte uns da doch folgen und endlich einen flächendeckenden gleichen Mindestlohn in Ost und West im Bund nicht weiter blockieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)
Immerhin setzen Sie sich mit dem Thema auseinander, während ihr Koalitionspartner in der Bundesregierung, die FDP, einfach die nicht passenden Daten aus dem Armutsbericht löscht und das Problem in römischer Dekadenz einfach ignoriert. Aber lassen Sie mich vielleicht noch einen Satz dazu sagen. Die Realität auf unserem Arbeitsmarkt ist eben nicht so, wie Sie sie beschreiben. Ja, wir haben einen hohen Stand an Beschäftigung. In Rheinland-Pfalz haben wir auch sehr gute Zahlen. Aber Sie haben es selbst gesagt, die Zahl derer, die prekär beschäftigt sind, die mit Niedriglohn beschäftigt sind, hat sich dramatisch erhöht. Es ist eben nicht alles sozial, was Arbeit schafft. Es geht auch um gute Arbeitsbedingungen. Um Ihnen einmal ein Beispiel hier aus unserer Region zu nennen, das vielleicht noch nicht so öffentlich ist, Ihr Lieblingssender, der SWR,
(Heiterkeit bei der SPD)
hat sich selbst soziale Vergabekriterien gegeben. Das finde ich löblich und vorbildlich. Der SWR hat für den Bereich Postpaketversand europaweit nach diesen Standards ausgeschrieben. Es gab auf diese Ausschreibung europaweit keine einzige Bewerbung, weil die sozialen Standards nicht eingehalten werden können, was Arbeitnehmerrechte, gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen angeht.

(Glocke des Präsidenten)
Ich halte das für einen sozialpolitischen Skandal. Deshalb begrüßen wir die Gesetzesinitiative der Landesregierung zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns.
(Baldauf, CDU: Das zeigt, dass Sie keine Ahnung haben, Herr Köbler! Das tut mir furchtbar leid!)
Vielen Dank.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

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