Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 28. Sitzung, 20. Juni 2012

Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 28. Sitzung, 20. Juni 2012

 

 

Vizepräsidentin Frau Klamm:
Für Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Köbler das Wort.

 

Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Es ist angesprochen worden. Die Situation ist viel zu komplex, dramatisch und schwierig, wenn man sich das Ganze europaweit anschaut, um sie auf Boulevardniveau zu besprechen.

Liebe Frau Klöckner, es schürt genau dieses Bild von Deutschland auch im europäischen Ausland, wenn das Klischee bedient wird, der deutsche Steuerzahler muss die faulen Griechen unterstützen, die schon mit 60 in Rente gehen und nicht einmal Steuern zahlen. Das ist genau der falsche Weg.

Das ist genau der Weg, der die Regierung von Helmut Kohl damals veranlasst hat zu sagen, wir gehen diesen Weg der europäischen Erweiterung und der europäischen Integration. Helmut Kohl wusste, dass die deutsche Einheit nur mit einem solchen Weg zu haben ist. Er wollte sie in einen solchen Weg einbetten. Dazu gehörte auch die Einführung des Euro. Es war bekannt, dass dies gerade im Fall Griechenland schwierig ist. Europa ist in Deutschland immer von der Regierung unterschiedlichster Couleur als Demokratie- und als Friedensprojekt begriffen worden. Es galt, dem eine gemeinsame Währung danebenzustellen und – das ist nicht geschehen – einen gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialraum weiterzuentwickeln. So war das Ganze immer angelegt. Diese Prämissen teilen sie heute nicht mehr, und zwar nicht nur europapolitisch. Leider ist eben auch da nach sieben Jahren Kanzlerschaft Merkel die CDU inhaltsleer, ausgesaugt und nicht weiter zukunftsfähig. Das ist das, was ich aus der Debatte heute mitnehme.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD –

Zuruf des Abg. Licht, CDU)

 

Man muss wissen, was in Griechenland passiert.

 

(Licht, CDU: Was wissen Sie schon!)

 

Der griechische Staat hat über viele Jahre Fehlentwicklungen zugelassen und auch befördert. Das ist überhaupt keine Frage. Diese einseitige Sparpolitik führt dazu, dass heute Frauen und Männer die ihnen zugesagte Rente nicht mehr bekommen, Gehälter bei Lehrerinnen und Lehrern und Dozentinnen und Dozenten gekürzt und öffentliche Angestellte entlassen worden sind.

 

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

 

Gleichzeitig können – da gebe ich Ihnen recht – für die Spitzenverdienerinnen und -verdiener die Steuern nicht bzw. nur wirkungslos erhöht werden, weil die dafür notwendige Finanzverwaltung nie aufgebaut worden ist. Auch das ist ein Missstand. Wenn ich aber den Personalabbau einseitig aufgrund des Sparkurses von Deutschland und der alten französischen Regierung vorgegeben bekomme und ich noch nicht einmal eine Finanzverwaltung – gerne mit deutscher Unterstützung – aufbauen kann, die dann die Steuerzahlungen bei den von Ihnen angesprochenen 2.000 reichen Familien in Griechenland eintreibt, muss ich mich nicht wundern, wenn die Bevölkerung frustriert ist und die Bevölkerung zwar Ja zu Europa, aber Nein zu dieser einseitigen ökonomisch und politisch falschen europäischen Politik sagt, die, wenn sie so weitergetrieben wird, unsere europäische Demokratie und unsere Zukunft von Europa nachhaltig infrage stellt.

 

Meine Damen und Herren, deshalb bin ich der deutschen Opposition, den deutschen Bundesländern und der neuen französischen Regierung dankbar, dass nun seit einigen Wochen konsequent ganz im Sinne von Deutschland und damit auch immer im Sinne der Bundesrepublik Deutschland umgesteuert wird. Das ist das, wo Helmut Kohl Ihnen meilenweit voraus war, meine Damen und Herren.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –

Frau Klöckner, CDU: Ihnen auch!)

 

Jetzt zur Situation der Kommunen. Sie beklagen immer die Finanzsituation unserer Kommunen. Man kann über Ursache und Wirkung trefflich streiten, aber wir sind uns einig, dass die finanzielle Situation der Kommunen – insbesondere derer, die hohe Sozialausgaben haben – sehr, sehr schwierig ist. Sie haben mir auch nicht widersprochen, als ich gesagt habe, einer Schuldenbremse auf kommunaler Ebene können diese Kommunen aus eigener Kraft nicht begegnen.

 

(Abg. Frau Klöckner, CDU, unterhält sich mit Mitgliedern der CDU-Fraktion)

 

– Sie können das dann im Protokoll nachlesen. Wir können über den Weg reden. Das hat der Ministerpräsident gesagt. Die Eingliederungshilfe ist ein mögliches Instrument, um schnell ein echtes Signal auszusenden,  das fassbar und greifbar ist, dass den Kommunen bei ihren strukturellen Defiziten geholfen wird. Ein Drittel bei der Eingliederungshilfe. Wir reden perspektivisch grob über 4 bis 5 Milliarden Euro bundesweit, die strukturell mehr für die Kommunen zur Verfügung stehen müssen. Darüber sind Sie hier und heute noch nicht einmal bereit zu diskutieren. Was ist das für eine kommunalfeindliche Politik?  Morgen werden Sie ungefähr die gleiche Summe verteidigen, die diese Bundesregierung für das unsägliche Betreuungsgeld – andere sagen, die Herdprämie – eben einmal hinausschmeißt. Für einen solchen Quatsch ist das Geld da, aber für unsere Kommunen hat Ihre Bundesregierung nicht das notwendige Geld zur Verfügung. Das verteidigen Sie auch noch. Das ist eine kommunalfeindliche Politik. Frau Klöckner, diesen Vorwurf müssen Sie sich schon gefallen lassen. Es sind nicht nur 16 Bundesländer, sondern auch der Deutsche Gemeinde und Städtebund hat sich diese Forderung zu eigen gemacht. Gegen den haben Sie sich heute ohne Not gestellt. Ich kann den Bundesfinanzminister noch verstehen, der auf seinem Geld für den Bund sitzt, aber ich möchte einmal sehen, wie Sie das als Landespolitikerin, die auch die Fahne der Kommunen mit hochhalten muss,  Ihren kommunalen Leuten erklären. Die wären nämlich froh, wenn sie das Geld hätten, um wenigstens einigermaßen ihre Haushalte auch in der Zukunft in den Griff bekommen zu können, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD –

Zuruf des Abg. Licht, CDU)

 

Ich möchte noch einen allerletzten Punkt ansprechen. Sie haben gefragt, wie man zu dem Fiskalpakt steht. Ich meine, das ist ein typisches Beispiel für gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die Bundesregierung hat überhaupt nicht verstanden, was sie da unterschrieben hat, es sonst nicht Wochen gedauert hätte, um die Fragen,  die unser Finanzminister und viele andere im Bundesrat gestellt haben, zu beantworten. Wesentliche Fragestellungen wurden der Europäischen Kommission vorbehalten, deren Ausgestaltungen ganz große Relevanz auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen haben. Trotzdem wurde die Tinte daruntergesetzt. Ich halte das für ein ziemlich unverantwortliches Handeln. Aber umso verantwortlicher ist es jetzt zu sagen, wir wollen eine europäische Regelung; wir wollen, dass es in Europa gleiche Schuldenregeln gibt, aber wir müssen die richtig und gut machen und sie um Elemente ergänzen wie Zukunftsinvestitionen und gerechtere Einnahmesituation über die Finanztransaktionssteuer. Gleichzeitig müssen wir innerstaatlich unseren demokratischen Anspruch wahren, damit wir nicht wieder vor das Verfassungsgericht rennen müssen und die Bundesregierung nicht wieder die Klatsche bekommt, weil sie die Parlamente nicht rechtzeitig informiert hat. Wir müssen die Interessen von uns als Landesparlament und die unserer Kommunen wahren.

 

Ich meine, dass sich die Landesregierung auf die Mehrheit dieses Hauses stützen kann. Das ist ein gutes Signal. Die Mehrheit dieses Hauses steht im Wesentlichen auch hinter den Positionen von 16 Bundesländern. Die CDU steht in der Debatte in Rheinland-Pfalz ziemlich alleine da.
Herzlichen Dank.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

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