dapd: Herr Köbler, in der rot-grünen Koalition stehen Veränderungen an. Am 16. Januar tritt Kurt Beck als Ministerpräsident zurück und Malu Dreyer übernimmt das Ruder. Vermutlich wird es eine andere Atmosphäre geben. Was wird sich ihrer Einschätzung nach verändern?
Köbler: Bemerkenswert ist erst einmal, dass Rheinland-Pfalz ab dem 16. Januar mit Malu Dreyer und der grünen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke von einer weiblichen Doppelspitze regiert wird. Das ist doch auch ein schönes Signal. Ansonsten kennen wir Malu Dreyer als offene, verlässliche und herzliche Person, mit der wir schon in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet haben. Die Koalition wird die gute Zusammenarbeit entsprechend fortsetzen. Malu Dreyer wird vieles vermutlich vom Stil her anders machen als Kurt Beck, weil sie eben auch ein anderer Typ ist. Dass sich aber in der Koalition von heute auf morgen Dinge grundsätzlich ändern, kann ich mir nicht vorstellen.
dapd: Ein weiteres Großereignis im kommenden Jahr ist die Bundestagswahl. Was sind die strategischen Pflöcke des Wahlkampfes für die rheinland-pfälzischen Grünen?
Köbler: Für uns gilt zu zeigen, warum Rot-Grün in Rheinland-Pfalz eine Blaupause für den Bund ist. Abzulesen ist das an den Stichpunkten Energiewende, gebührenfreie Bildung aber auch die Frage von Demokratie und Bürgerbeteiligung. Wir können zeigen, dass Grüne auch in einem Bundesland regieren können, das eher ländlich geprägt und traditionell etwas konservativer ist.
dapd: Ich entnehme dem, dass Sie von Schwarz-Grün wenig halten.
Köbler: Ich halte es für derzeit ausgeschlossen. Wir haben die größten inhaltlichen Übereinstimmungen mit der SPD. In der Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen oder Bürgerrechte bei der Videoüberwachung passt es mit uns und der CDU einfach nicht. Aber selbst wenn ich mir an der einen oder anderen Stelle mit der CDU vielleicht eine Zusammenarbeit vorstellen könnte – mit der CSU, die antieuropäisch unterwegs und rückwärtsgewandt ist, kann ich mir eine Koalition nicht vorstellen.
dapd: Schauen wir auf die Atmosphäre in Rheinland-Pfalz. In den vergangenen Monaten haben sich die CDU mit ihrer Vorsitzenden Julia Klöckner und die Regierungsfraktionen heftige verbale Attacken geliefert. Müssen sich Regierung und Opposition angesichts der großen Herausforderungen wie Kommunalreform oder Schuldenbremse nicht wieder mehr entgegenkommen?
Köbler: Es kommt ganz darauf an, wie sich die CDU verhält. Ich glaube auch, dass man große Herausforderungen mit einem möglichst breiten Konsens zumindest in den Grundlinien angehen sollte. Die CDU hat schon in einer derben Art und Weise polemisiert und das Klima vergiftet im rheinland-pfälzischen Landtag. Letztlich wurde das nur gemacht, um die innerparteiliche Position von Frau Klöckner zu stärken. Aber wenn die CDU jetzt bei der Kommunalreform ihre Blockade aufgibt, sollte man diese Gespräche auch führen.
dapd: Streit gibt es auch immer wieder um den Flughafen Hahn. Die Grünen stehen ihm naturgemäß eher skeptisch gegenüber. Jetzt wurde aus dem von einer Grünen-Politikerin geführten Wirtschaftsministerium verlautbart, dass der Flughafen eine wirtschaftliche Zukunft nur mit einer Nachtflugerlaubnis haben kann. Werden damit nicht die Grundsätze ihrer Partei torpediert.
Köbler: Es muss klar unterschieden werden, auf welcher politischen Ebene welche Entscheidungen getroffen werden. Die Frage eines Nachtflugverbots wird auf der Bundesebene und teilweise auch europäisch entschieden. Dort besteht die grüne Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für Nachtflüge. Diese würde dann für alle Flughäfen gelten und dann haben wir gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen.
Der Hahn hat jetzt eine 24-Stunden-Genehmigung. Das ist nun einmal so. Aber es kann lärmabhängige Gebühren geben oder einen Zuschlag für Nachtflüge. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Wirtschaftlichkeit des Flughafens: Es muss eine Perspektive zur Senkung der staatlichen Zuschüsse geben. Das muss das Ziel sein, und wenn es dafür ein Modell gibt, das mit EU-Beihilferecht vereinbar ist, können Grüne das auch unterstützen. Wir wollen, dass am Flughafen Hahn Investoren mit einsteigen, um die öffentliche Hand zu entlasten.
dapd: Auch am Nürburgring stehen entscheidende Schritte an. Die Rennstrecke soll privatisiert werden. Gedacht wird auch an ein Stiftungsmodell mit Land, Kommunen und Automobilverbänden. Was halten Sie von einer solchen Idee?
Köbler: Der Vorschlag kommt von der Gewerkschaft ver.di. Ich finde es richtig, zu überlegen, wie die Region in Zukunft im Boot bleibt. Und ich verstehe die Angst vor einem Investor, der kommt und die Region bleibt draußen vor. Darum sollte man auch bei einem Vergabeverfahren versuchen, die öffentlich Hand gerade in der Eifel nicht außen vorzulassen. Darum ist es gut, dass sich eine Arbeitsgruppe verschiedene Modelle anschaut. Man muss nur wissen: Es muss am Ende mit dem Beihilferecht der EU vereinbar und tragfähig sein. Da müssen wir genau hinschauen. Am Nürburgring sind in der Vergangenheit schon zu viele Konzepte gescheitert und das darf einfach nicht mehr passieren.
dapd: Es wird immer wieder kritisiert, dass die EU mit ihrem strengen Wettbewerbsrecht staatliche Infrastrukturprojekte verhindert. Ist die EU da derzeit nicht eine ganz große Hemmung.
Köbler: Wenn man sich anschaut, dass das EU-Beihilferecht runtergeht bis zum Amateurfußball oder zur Kulturförderung, bin ich mir sicher: Wenn wir so weiter machen, machen wir Europa kaputt. Es muss möglich sein, politisch entscheiden zu können und Steuergelder für die öffentliche Daseinsvorsorge in die Hand zu nehmen. Wenn das nur noch eine Kommission aus Brüssel diktiert, versteht keiner mehr Europa. Vor allem, wenn die Kommission nicht nach klar definierten Kriterien entscheidet. Das hat dann nämlich nur noch etwas mit einer neoliberalen Ideologie zu tun und alles wird einem Markt zugeführt.
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