16. Wahlperiode – 10. Sitzung, 15. September 2011 2. Rede

Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung, 15. September 2011

 

Vizepräsident Schnabel:

Das Wort hat Herr Kollege Köbler von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

 

Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Wenn es der Herr Präsident gestattet, möchte ich mit einem Zitat anfangen: „Wir wollen ja nicht die Tarifautonomie aufheben, sondern die schwarzen Schafe aushebeln,die menschenunwürdige Löhne zahlen.“

Ja, dem kann man sich anschließen. Deswegen wollen wir einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro bundesweit einführen und in Rheinland-Pfalz über den Bundesrat weitere Initiativen starten. Dazu stehen wir. Das haben wir hier heute beantragt. Es freut mich sehr, dass derjenige, von dem dieses Zitat stammt, diese Diskussion auch in die CDU gebracht hat.

Es ist nämlich der Kollege Arnold Schmitt, der das im „Trierischen Volksfreund“ am 22. August gesagt hat. Herr Schmitt, vielen Dank für diese klare Positionierung für den Mindestlohn, eine Positionierung, die ich in den zehn Minuten bei Herrn Dr. Rosenbauer schmerzlich vermisst habe.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Das war wieder typisch CDU. Es geht um eine Sachfrage, und es wird zehn Minuten gesprochen und nicht Position bezogen. Das erleben wir hier immer wieder.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD –

Zurufe von der CDU: Och ja! –

Zuruf von der CDU: Das sagt gerade der Richtige!)

– Herr Schmitt, ich weiß, was Herr Billen fragen wird, und ich werde es ihm auch gleich beantworten.

Herr Schmitt, Sie müssen jetzt nicht hier die linke Faust mit uns heben und für den Mindestlohn nach Berlin marschieren, aber Sie können Ihre Hand nachher bei der Abstimmung erheben und für Ihre Überzeugung stimmen. Sie sind herzlich dazu eingeladen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Kollegin Anklam-Trapp hat es gesagt, es ist ein sehr ernstes Thema: Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte arbeitet im Niedriglohnsektor. Über 1,35 Millionen Menschen in diesem Land müssen ihr Erwerbseinkommen bei Vollzeitbeschäftigung mit Arbeitslosengeld II aufstocken. Herr Billen, um Ihre Frage zu beantworten: 8,50 Euro aus einem einfachen Grund. Wer für 8,50 Euro als Lohnuntergrenze 40 Stunden arbeitet, erhält im Monat brutto etwas mehr als 1.350 Euro. Das ist das, was man sozusagen als Minimum errechnet hat, damit man sein Leben bestreiten kann. Das heißt, mit 8,50 Euro die Stunde ist es möglich, wenn man Vollzeit arbeitet, sich davon seine Existenz zu sichern. Das ist eine Untergrenze, die wir für alle Berufsarten doch mindestens erreichen müssen.

Herr Dr. Rosenbauer, Sie haben viel aufgeführt, wo Sie das Entsendegesetz ausgeweitet haben. Aber wenn Sie den Mindestlohn nicht flächendeckend wollen, dann sagen Sie doch einmal, in welchen Berufen Sie der Meinung sind, dass es nach wie vor richtig ist, dass die Menschen für 5 oder 6 Euro oder noch weniger die Stunde arbeiten müssen. Das ist doch die Frage, die Sie beantworten müssen, wenn Sie dagegen sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –

Dr. Rosenbauer, CDU: Gar keine! Haben Sie nicht zugehört? –

Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sie wollen doch die Tarifautonomie nicht ändern!)

Es ist ein Problem Ihrer Maxime und der schwarz-gelben Politik in Berlin. Das ist Arbeit um jeden Preis. Man kann diese Maxime haben, ich teile sie nicht. Ich sage, Arbeit muss sich lohnen, und man muss von seiner Arbeit leben können.

In Berlin heißt es bei Schwarz-Gelb: Arbeit um jeden Preis. – Aber selbst diese Maxime funktioniert nicht. Ich möchte Ihnen noch eine Zahl nennen. Die Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“, die nun wirklich kein neokommunistisches Institut ist, hat ausgerechnet, dass drei Viertel aller Geringverdiener in ihrem Erwerbsleben niemals in die Klasse der Normal- oder Gutverdienenden aufsteigen. Das heißt, ein niedriger Lohn bedeutet nicht nur eine schwierige wirtschaftliche Situation für die Betroffenen jetzt, sondern er bedeutet auch eine soziale Blockade in der Zukunft. Es ist ein Aufstiegshemmnis. Das heißt, Ihre Maxime „Arbeit um jeden Preis“, damit man überhaupt einmal arbeitet und einen Einstieg hat, funktioniert auch nicht; denn die Menschen werden sozial blockiert, und ein Aufstieg ist nicht möglich. Auch deswegen ist ein Mindestlohn ein ganz wesentlicher Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit und für mehr Aufstiegschancen für sehr viele Menschen in diesem Land, die es wirklich auch verdient hätten, diese Chancen zu bekommen, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich noch einen Punkt nennen.

Frau Anklam-Trapp hat es angesprochen: Frauen sind in einer besonderen Situation. Sie sind verstärkt im Niedriglohnsektor angestellt, und sie sind mehr davon betroffen, dass sie weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen. Frauen sind häufiger von Armut betroffen, und – wir haben es heute im Laufe des Tages schon einmal gehört – Frauen werden demzufolge auch häufiger von Altersarmut betroffen sein.

Deswegen wundere ich mich, dass in der Debatte, die Sie in der CDU führen – das haben wir zur Kenntnis genommen –, die Frauen bisher noch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Sie haben sich dazu überhaupt noch nicht geäußert, mit Ausnahme im „Trierischen Volksfreund“. Die Bundeskanzlerin persönlich hat den Kollegen Michael Billen bei seiner Initiative 2008 für einen Mindestlohn in der CDU persönlich angerufen und ihm die Initiative untersagt.

(Frau Klöckner, CDU: Ich stand auch im „Trierischen Volksfreund“, jüngst sogar! Ganz aktuell! Das hat er nicht gelesen!)

Herr Billen, aber wir kennen Sie. Sie sind ein Freigeist, und auch Sie können heute mit Ihrem Abstimmungsverhalten für einen Mindestlohn Ihrer Überzeugung und Ihrem Gewissen folgen. Sie sind dazu herzlich eingeladen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, die schwarz-gelbe Bundesregierung hat vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Wirtschaftskrise einen ganz entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, dass wir einigermaßen gut darüber hinweggekommen sind, völlig aus dem Blick verloren. Die Banken sind sofort gerettet worden.

(Licht, CDU: Das ist doch Quatsch! –

Frau Klöckner, CDU: Das ist doch Quatsch! Es mag ja vieles stimmen, aber das nicht! – Weitere Zurufe von der CDU)

Über Steuererleichterungen wird debattiert, aber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auch den Gewerkschaften, die mit Kurzarbeit, mit Nullrunden und vielen anderen Einschnitten dazu beigetragen haben, dass wir diese Krise überwunden haben, versperrt man nun die lange und berechtigte Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn. Dies sagt auch einiges aus über die soziale Kälte, die in der Bundesregierung herrscht.

(Licht, CDU: So ein Unsinn, den Sie erzählen!)

Frau Bundessozialministerin von der Leyen ist eine weitere CDU-Politikerin, die in dieser Debatte bisher doch weitgehend ein Ausfall ist, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD –

Licht, CDU: Die Luxemburger haben einen Mindestlohn und haben mit die höchste Jugendarbeitslosigkeit! Reden Sie da von sozialer Kälte?)

Die Gewerkschaften sind für einen Mindestlohn, und viele Mittelständler haben einen Mindestlohn.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Immer mehr Ökonomen sowie auch viele Experten fordern den Mindestlohn, und unsere Nachbarn in Europa können weitestgehend überhaupt nicht verstehen, dass eine entwickelte Ökonomie, eine Soziale Marktwirtschaft wie die Bundesrepublik Deutschland keinen Mindestlohn hat. Die Kirchen sind für den Mindestlohn. Fast alle sind für den Mindestlohn, aber die CDU diskutiert noch. Die CDU in Rheinland-Pfalz hat wie immer keine klare Position.

(Licht, CDU: Sprücheklopfer!)

Meine Damen und Herren, es ist auch eine Frage von christlichen Werten. Es hat etwas mit gesellschaftlichem Zusammenhalt zu tun, und es hat etwas mit Armutsbekämpfung zu tun.

(Baldauf, CDU: Das ist richtig, genau!)

Es hat etwas mit Chancen für alle und mit Chancengerechtigkeit zu tun. Es hat etwas mit der Würde des Menschen zu tun, dass seine Arbeit auch angemessen entlohnt wird.

(Baldauf, CDU: Sehr gut!)

Die meisten Menschen in unserem Bundesland und in der Bundesrepublik wollen arbeiten, aber sie wünschen sich Arbeit, von deren Lohn sie auch leben können. Sie möchten kein subventioniertes Einkommen durch das Arbeitslosengeld II. Nein, sie möchten nichts anderes, als mit ihrer Arbeit sich und ihre Familien ernähren und ein gutes Leben mit gesellschaftlichen Teilhabechancen führen zu können.

(Zuruf von der CDU: Wissen Sie, wie hoch ein Mindestlohn sein müsste, wenn es um eine Familie geht?)

Die Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland spricht sich für einen allgemeinen Mindestlohn aus, sogar Teile in Ihrer Partei – Herr Schmitt, Herr Reichel oder Herr Billen – sprechen sich für einen gesetzlichen Mindestlohn aus.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

– Frau Klöckner, hören Sie zu. Hören Sie die Signale!

(Heiterkeit bei der CDU –

Frau Klöckner, CDU: Zur Sonne, zur Freiheit!)

Diejenigen, die dies aufgrund ihrer Überzeugung und aufgrund ihres sozialen Gewissens geäußert haben, kann ich nur auffordern, stimmen Sie heute gemeinsam mit uns dafür, dass wir uns als Land Rheinland-Pfalz weiterhin auf Bundesebene für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einsetzen.

 

Vielen Dank.

 

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

 

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